: Blaue Helme: Der Lack ist ab
■ Harte Kritik an UN-Strategie in Somalia / Italiener verlassen Mogadischu / Rühe bleibt stur
Mogadischu/Rom/New York/Bonn – Nach dem Luftangriff der UN-Truppen auf das Hauptquartier „Somalia National Alliance“ des General Aidid und dem Tod der vier Journalisten hat sich massive Kritik an der politischen und militärischen Strategie der Vereinten Nationen in Somalia erhoben. Die Organisation Afrikanischer Einheit (OAU) hat die UNO aufgerufen, ihre Militärstrategie in Somalia zu überprüfen und den Konflikt auf friedliche Weise beizulegen. Der italienische Außenminister Beniamino Andriatta hat im italienischen Rundfunk angekündigt, daß die italienischen UNO-Soldaten in Mogadischu in den ruhigeren nördlichen Teil des Landes verlegt werden sollen.
Der britische Verteidigungsminister Malcolm Rifkind erklärte, die jüngsten Operationen der UNO in Somalia und Bosnien legten die „Unzulänglichkeit der militärischen Beratung“ des UN-Generalsekretärs Butros Butros Ghali und seiner Mitarbeiter offen. Falls die Beratung der UNO auf dem militärischen Gebiet nicht entscheidend verbessert werde, werde sie sehr schnell ihre Stärke verlieren. Rifkind schlug die Gründung einer UN-Schule vor, auf der sowohl Diplomaten als auch Offiziere, die sich im Dienst der UNO befinden, auf Konfliktfälle vorbereitet werden sollen.
Der für die offensive Strategie der UN- Truppen verantwortliche UN-Generalsekretär Butros Butros Ghali erklärte, Ziel der UN-Mission in Somalia sei weiterhin die Entwaffnung der verschiedenen Bürgerkriegsfraktionen und die Verteilung von Hilfsgütern. Clanchef Mohamed Farah Aidid sei „nicht wichtig“ für die UNO. Der UN-Sprecher Joe Silla erklärte zu Vorwürfen italienischer Zeitungen, der Angriff sei eine US-Operation gewesen: „Es handelt sich um eine UN-Operation, und der türkische General Cevik Bir verfügt über die Kommandogewalt.“
Auch Vertreter von 21 in Somalia tätigen deutschen Hilfsorganisationen haben in einem Schreiben an die UNO den Wunsch nach einer Rückkehr zu den humanitären Zielen formuliert. Ihre Hilfsmaßnahmen könnten seit der Verschärfung der Lage dort aus Sicherheitsgründen nicht mehr wie geplant stattfinden, sagte der Leiter des gemeinsamen Büros von Caritas und Diakonie in Mogadischu, Karl Weis, in Freiburg.
Der Chef der Caritas-Auslandshilfe, Günter Hölter, urteilte, Somalia sei nicht mit Gewalt zu befrieden und auch nicht dadurch, daß man jemanden wie Milizenchef Aidid als Schuldigen auszuschalten suche. Infolge der rein militärischen Maßnahmen der vergangenen Wochen sei, so Weis, die vorhandene Dialogfähigkeit unter den Clans der Somali verhindert und ein „Vereinigungseffekt“ gegen die UNO eingetreten. Die beiden kirchlichen Hilfswerke sind seit einem Jahr gemeinsam in Somalia mit Überlebenshilfen, dem Transport von Lebensmitteln und dem Aufbau der Infrastruktur engagiert und haben bislang 76 Projekte initiiert.
Das für den Einsatz in Somalia vorgesehene deutsche Hauptkontingent von 1.500 Mann soll nach dem Willen der Bundesregierung trotz alledem wie geplant von Montag an über die umkämpfte somalische Hauptstadt Mogadischu nach Belet Huen gebracht werden. Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) erklärte, er sehe keinen Grund, die Planungen zu ändern. „An unserem Auftrag hat sich nichts geändert.“
Der rheinland-pfälzische SPD-Bundesratsminister, Florian Gerster, forderte die Bundesregierung auf, die deutschen Soldaten wegen der gefährlichen Entwicklung in Somalia sofort abzuziehen. Kommentar Seite 10
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen