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Blaß vermauert

■ Jürgen Alberts' Stück „Eingemauert“ im Jungen Theater

Ein 18-jähriger sitzt im Knast: Der Skin und Lehrersohn hat einen jungen Kurden ermordet. Das ist die eine Seite einer Geschichte, die das „Junge Theater“ in der Premiere von „Eingemauert“ am Sonntag abend inszenierte.

Die andere Seite liegt auf der ohnehin kleinen Bühne des Theaters nur eine Armlänge von der Knastszene entfernt. Sie wird von der Mutter (Vanja Gallmeister) des Ermordeten repräsentiert, die erzählt: Vom Leben in Kurdistan, von der Verfolgung und dem Entschluß der Familie, illegal nach Deutschland zu gehen. Von ihrem Sohn (Miraz Özbalik) und von ihrem Leben hier - bis sie am Ende dem Mörder ihres einzigen Sohnes und dessen Vater auf der Bühne Aug' in Aug' gegenübersteht. So unvermittelt allerdings, daß man sich wundert. Und über ihre Vorhaben nur frei assoziieren kann, wenn sie halb drohend, halb fragend sagt: „Was ich mit Ihnen mache, weiß ich nicht“.

Bewegung entsteht in diesem Stück des Bremer Autor Jürgen Alberts vor allem per Lichtschnitt. Zwischen beiden Bühnenseiten springt der Scheinwerferstrahl hin und her und sorgt für die Szenenwechsel. Die man, selbst wenn sie bisweilen unvermittelt geschehen, als optische Abwechslung zwischen dem Monolog der Mutter und dem Zwiegespräch von Vater (Martin Leßmann) und Sohn (Mathias Kopetzki) begrüßt: Weil das Bühnenbild - kahle Gefängniswände auf der einen, verblichene Mauern auf der anderen Seite - sonst so unverändert bleibt. Und die ZuschauerInnen damit auf die immer gleiche Perspektive ebenso festlegt wie die SchauspielerInnen auf ihre vier Quadratmeter Bühnenfläche, in denen sie ihre Rollen mehr theatralisch erzählen als wirklich spielen können.

Da begreift der Vater den Sohn nicht - und setzt ihn und uns seinem psychologisierenden Jargon aus, der die verstockte Haltung des Sohnes aber nicht aufbrechen kann. Aber auch sonst nicht viel auslöst. Die Wendung des Sohnes vom Draufschläger, der mannhaft-kindisch allein mit der Sache fertig werden will, zu einem, der am Ende des Stückes zugibt: „Es hätte nicht sein müssen“, verläuft jedenfalls ohne nachvollziehbare Dynamik. Selbst als er einmal aufschaut, mit Tränen in den Augen, ist man verdutzt, was ihm nun geschehen sein mag. Und ein wenig enttäuscht, weil doch gutes Theater die ZuschauerInnen schon vorher ahnen läßt, wann das Gefühl ausbricht - und worüber. Daß dieses Verständnis nicht wachsen kann, ist jedoch nicht den SchauspielerInnen allein anzukreiden. Denn sie mühen sich redlich und können wenig dafür, daß die Statik des Arrangements nun ihnen die ganze Last aufbürdet, für theatralische Spannung zu sorgen.

Eva Rhode

Nächste Vorstellungen 23./ 24.11 und 1./2. 12, jeweils um 20.30 Uhr, Junges Theater.

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