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Bläser aller Länder

■ „Brass Unbound“ – ein Dokumentarfilm von Johan van der Keuken im Kino 46

Die Briten und Niederländer eroberten ihre Kolonien zum Klange von zünftiger Blechblasmusik. Und obwohl Nepal, Ghana, Surinam und Minahassa längst unabhänig geworden sind, werden dort immer noch Tuben, Posaunen, Trompeten und Saxophone geblasen. Johan van der Keukens zeigt in seinem Dokumentarfilm „Brass Unbound“, daß Brassbands wie die Krishna Das in Katmandu oder das Baas Mal Orkest in der Karibik zwar die Instrumente, Songs und zum Teil sogar Uniformen und Rituale der Europäer übernommen haben, aber sie ganz ihrem eigenen Geschmack angepaßt.

Und so sind ganz eigene und hochinteressante Mischformen entstanden: Es ist spannend und sehr unterhaltsam zu verfolgen, in welche völlig verschiedenen Richtungen sich die traditionelle Blechmusik entwickelte. In Nepal sieht man etwa neben einer kleinen Band von Musikanten, die auf Hochzeiten und religiösen Festen spielen, und ihrer Kaste gemäß Instrument und Profession von Generation von Generation weitervererben, die riesige Marschkapelle des Monarchen: eine Unzahl von Soldaten die mit versteinerten Mienen, zackig und im Gleichschritt, ziemlich falsch aber dafür umso kriegerischer einen Marsch herausbellen. In Surinam spielen dagegen drei Nachkommen schwarzer Sklaven einen herzzerreißenden Blues auf einer Beerdigung.

Auf den Celebes Inseln sind die Mitglieder der Pa Lensun Band immernoch so vernarrt in das „zivilisierte Leben“ der Kolonialherren, daß sie sich mit Schnittmustern aus großen Blechen selber ihre Instrumente ausschneiden, sie dann verlöten und auf sehr eckigen Tuben und Saxophonen, die statt Ventilen ausgestanzte Löcher haben, rührend schräge Lobliede auf die „good old times“ spielen.

In Ghana wurde die Musik der Eroberer am konsequentesten erobert. Von der steifen Marschmusik blieb hier nur ein zackig heißer Bläsersatz, der die High Live Musik aufpeppt. Und wenn man auf dem Hinterhof dabei ist, wenn die Musiker der „Peace Brass Band“ wild und voller Swing improvisieren, bekommt man eine Ahnung davon, wie damals der Jazz entstand.

Am Schluß läßt Johan van der Keuken alle Blaskapellen zusammen aufspielen – den ein Lied hatten sie alle in ihrem Repertoire. Es erklingt trötig, devot, wie ein hinduistisches Gebetslied und ein afrikanischer Tanz. In jeden Fall ist es „a long way (not to but) from Tipperary.“ Wilfried Hippen

Kino 46 heute und morgen 20.30 Uhr (Original mit englischen Untertiteln); der Anthropologist Robert Boonzayer Flaes ist anwesend und zeigt als Vorprogramm zwei Kurzfilme über Alphörner in Nepal und Polkamusik in Österreich

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