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Black & white – Geschichten aus dem neuen Südafrika Von Bartl Grill

Die Winterferien sind aus, schnell zurück ans Kap. Deutschland – das waren vorderhand Streß, Bürgerkrieg um Parkplätze, herzogmeyerliche Peinlichkeiten, zuwidere Gesichter und ein allgegenwärtiges Lamento zur Lage der verklemmten Nation. Die Quersumme nach vier Wochen: viel Gejammer, wenig Heiterkeit, kein Schnee und ein ewig grauer Himmel, der den krisengeplagten Menschen auf den Kopf fällt.

Und hier? Hier gibt es Luft und Licht und einen unendlich hohen Himmel. Vielleicht jammern die Leutchen einfach deswegen weniger, obwohl es den meisten viel viel schlechter geht. Außerdem dürfen in diesem Jahr zum ersten Mal alle Südafrikaner und Südafrikanerinnen wählen, während die Deutschen und Deutschinnen gleich 17mal (oder waren's 18mal?) zur Urne schreiten sollen, aber immer seltener wollen... Ansonsten aber hat sich übers Jahr nicht viel geändert. Im Flieger nach Johannesburg sitzt ein einziger Schwarzer. Die Passagiere blättern gelangweilt im Vlieende Springbok. Das Magazin der South African Airways ist so persilrein wie in den guten alten Zeiten der Apartheid: Die Weißen spielen Golf, trinken Kap-Riesling oder tätscheln Rennpferde; die Schwarzen schleppen Zementsäcke oder dienern auf den Werbeseiten herum wie die Sarotti-Negerlein. „Live simply“ – „Lebe einfach“ – prangt auf dem T-Shirt einer wachsbleichen Amerikanerin. Sie ist so fett, daß sie beinahe den Sitz sprengt.

Während die Dicke mal eben einen halben Zentner Erdnüsse verspeist, entdecken wir einen alten Spiegel in der Speitütentasche. Letzte Nachrichten aus D.: „Der alarmierte Tierarzt schickte die verdächtigen Ferkel zur Sektion nach Hannover. Befund: Schweinepest.“ Es „donnert ein Tötungstrupp“ ins Dorf. Bauer Hackmann: „776 Schweine haben sie mir weggeholzt, der Opa hat geweint.“ Da müssen auch wir Bauernbuben hoch über der Sahara mitweinen. Warme Kadaverberge, schmatzende Mahlschnecken, herzlose Schlächterkommandos: „Unzählige Schweine werden in den Sog der Massenvernichtung gerissen.“ Schirinowski, Schwerstkriminalität, Schweinepest, alles ist katastrophisch im armen Deutschland, und der Spiegel schickt seine Schlachtreporter in alle Sauställe, ein jeder ausgestattet mit neuem Schreibgerät: Bolzenschußapparat, Modell Rudolf.

Erschüttert greifen wir wieder zum Fliegenden Springbock. Ein wahres Beruhigungsmittel! Da tut sich eine stille, bukolische Blümchen- und Tierwelt auf: der Schrebergarten Eden, Abteilung Suid Afrika. Bitte anschnallen, Rauchen einstellen. Landeanflug auf Jo'burg. Wir können schon die wunderschönen Villenvororte sehen. Dann die staubigen Townships. Aufsetzen. Ausrollen. Aussteigen. Paßkontrolle. Gepäckband. Zollinspektion. Ankunft wie in einem ganz normalen Land. Keine Durchsuchung, kein ekelhafter Zensor, keine Interviews.

Am Ziel. Was gibt's Neues? Dragon, der pechschwarze Wachhund am Supermarkt, hat schon wieder eines dieser blütenweißen Schoßhündchen einer Kundin gefrühstückt. Einfach ratzeputz aufgefressen. Das ist eben Dragons Auffassung vom Befreiungskampf. Black & white. Guten Morgen, Südafrika. Wir sind wieder da, und Germany, das bitterliche Land, ist weiter weg als der Jupiter.

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