Black Sabbaths neues Album „13“: Zähflüssiger Schmelzstahl
Rick Rubin hat dem Pflegefall Black Sabbath in drei Viertel der Originalbesetzung beeindruckende Vitalität injiziert. Heraus kam das Album „13“.
Das Historische zuerst. „13“ ist das erste Studioalbum von Black Sabbath seit 18, das erste mit Ozzy seit 35 und das erste hörenswerte mit ihm seit „Sabotage“ – und das ist sogar schon 38 Jahre her. Es zählt acht neue Songs auf 53:32 Minuten Länge. Die drei, vier Outtakes, die auf den limitierten Editionen zu hören sind, sollen hier nicht interessieren.
Rick Rubin wird sie nicht umsonst ausgesondert haben. Rubin, der Altenpfleger unter den Großproduzenten, ist nicht zum ersten Mal dabei. Bereits 2001 hielt er den Recken die Studiotür auf. Aber damals sind nur zwei, noch dazu eher langweilige Tracks entstanden, die das „Reunion“-Livealbum aufwerten sollten, aber nicht konnten.
Danach gingen die vier Gerechten wieder mehr oder weniger getrennte Wege. Soloalben von Ozzy und Tony Iommi standen an, und als auch noch die Gaffer-Sitcom „The Osbournes“ durchstartete, Ozzy sich als Komiker feiern ließ, lag das ernste Thema Black Sabbath ein paar Jahre im Stupor.
Zuletzt hatte man wieder mehr Zeit. 2010 war Dio gestorben, Iommis partner in crime bei dem nicht ganz erfolglosen Sabbath-Derivat Heaven & Hell; fast sah es so aus, als sollte es wirklich ein ganzes Album im Original-Line-up geben. Aber dann zog sich Drummer Bill Ward zurück, weil er keinen „unterzeichnungswürdigen Vertrag“ angeboten bekommen hatte.
Was uns einmal mehr daran erinnert, dass man sich hier keine Kumpels vorstellen darf, die einfach mal wieder ein bisschen rummucken wollen, sondern eben beinharte Geschäftsleute und dass es ihnen also auch nicht in erster Linie um die hehre Kunst geht.
Die drei Hauptsongwriter, Iommi, Ozzy und Geezer Butler, wurden handelseinig. Brad Wilk, vormals Rhythmusknecht bei Rage against the Machine und Audioslave, wurde als Ersatz für Ward dazugebucht. So einfach kann das gehen, wenn die Verträge stimmen.
Zitate vom Debütalbum
Dass bei all den logistischen und administrativen Unstimmigkeiten im Vorfeld ein Album herauskommen würde, das sich so offensiv um ästhetische Prätention bemüht, war nicht unbedingt zu erwarten. Am Ende von „Dear Father“, dem Finale von „13“, zitiert die Band das Gewitterregen-Glocken-Intro vom Debütalbum „Black Sabbath“.
Und beim Auftakt „End of the Beginning“ fragt sich der Madman, mit der üblichen manischen Intonationslosigkeit: „Is this the end of the beginning? Or the beginning of the end?“ Der Kreis soll sich jetzt offenbar schließen. Rubin hat denn auch einiges daran gesetzt, die frühen Sabbath-Tage mit ihrer unbeschwerten Jam-Atmosphäre heraufzubeschwören.
Songs brechen etwas unmotiviert ab oder beginnen jäh. Einmal hört man das Netzbrummen des Marshall-Verstärkers, bevor Iommi verheißungsvoll über die Saiten rutscht. Und seine Soli sind ohnehin allesamt Impromptus. Damit korrespondierend hat die Band diverse alte Soundkonzepte revitalisiert.
Sogar den Blues der Black-Sabbath-Vorgeschichte: „Damaged Soul“ schlurft träge dahin und lässt viel Raum für nostalgisch-schwelgerische Improvisationen von Iommi und Ozzy an der Blues Harp.
Ein Album voller Untergangsszenarios
„Zeitgeist“ ist noch so eine Reminiszenz, ein Klon der Hippie-Meditation „Planet Caravan“ vom zweiten Album „Paranoid“. Am häufigsten begegnet man natürlich den zähflüssigen Schmelzstahl-Riffs, die man am ehesten mit dem Namen Black Sabbath verbindet und für die der Apokalyptiker Butler einmal mehr eine Welt imaginiert, die von allen guten Geistern verlassen ist. „Do you hear the thunder raging in the sky? / Premonition of a shattered world that’s gonna die.“
Das Album steckt voller Untergangsszenarios, die immer wieder aufgefangen werden von angedeuteten heilsgeschichtlichen Motiven. Nach jeder Apokalypse lockt die Wiedergeburt. Auch das passt ganz gut zum gegenwärtigen Kunstprogramm von Black Sabbath. Die Band wird zwar irgendwann das Zeitliche segnen, aber mit diesem Schlussstein im Gesamtwerk, so ihr Kalkül, retten sie sich in den Mythos. Das dürfte gelingen.
Das Album klingt majestätisch, düster wie eine verwitterte gotische Kathedrale. Und die Sympathien fliegen ihnen gerade zu wie Rick Rubins erstem Pflegefall Johnny Cash. Man wünscht es sich viel zu sehr, dass Black Sabbath noch einmal richtig auf die Pauke hauen, um jetzt schon beurteilen zu können, wie großartig dieses Album wirklich ist.
Von einigen Songs immerhin kann man das guten Gewissens sagen. „Age of Reason“ etwa hat das eingängigste Riff im Downer-Segment des Albums und einen vor Potenz strotzenden Groove. Und „Loner“ stürmt für ihre Verhältnisse geradezu los. Eine beeindruckende Vitalitätsdemonstration.
Sogar Ozzy ist hier keine bloße Witzfigur mehr, wie so oft in den letzten Jahren, wenn er sich vor Publikum einschiffte, beim Ablesen vom Teleprompter in der Zeile verrutschte und sowieso immer einen Halbton neben der Spur lag. Sein meckernder Bocksgesang hat hier wieder den alten sinistren Biss. Wie Rubin das angestellt hat, kann einem egal sein. Auf „13“ schreitet er noch einmal würdevoll den Friedhof ab. Vielleicht ein letztes Mal.
Black Sabbath: „13“ (Vertigo/Universal)
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