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Bitterer Geschmack der Demokratie

Exkommunisten gewinnen Parlamentswahlen in Polen / Linke zeigt sich für alle Koalitionen offen, Suchockas Demokratische Union lehnt jedoch Zusammenarbeit ab  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Bei Polens rechten Parteien endete das Wochenende mit Katzenjammer. Slowo, katholische Tageszeitung und inoffizielles Organ von Christnationalen und Primas Glemp, titelte: „Ein bitterer Geschmack der Demokratie. Die Linke siegt bei den Wahlen.“ Deren Chef Alexander Kwasniewski beruhigte indes grinsend alle Gegner, die ein Ende von Polens Reformen befürchten: „Das Wahlergebnis zeigt, daß die Demokratie das für unsere Partei geradezu ideale System darstellt.“ Mit an die 20 Prozent hatte das Bündnis aus verschiedenen linken Gruppierungen die zweiten Parlamentswahlen seit der politischen Wende mit Abstand gewonnen.

Betretene Miene auch bei der Demokratischen Union von Regierungschefin Hanna Suchocka: Je mehr Stimmen ausgezählt wurden, desto tiefer fiel die Partei und landete mit um die 10 Prozent schließlich deutlich unter ihrem Ergebnis von vor zwei Jahren und damit auch drastisch hinter der „Polnischen Bauernpartei“. Die frühere Blockpartei erhielt um die 16 Prozent der Stimmen. Mit 6,6 Prozent viertstärkste Gruppierung wurde die ebenfalls sozialdemokratische „Union der Arbeit“.

„Die Mehrheit hat in der Demokratie recht, aber das heißt nicht, daß sie deshalb auch in der Wirklichkeit recht hat“, kommentierte trotzig die der Union nahestehende Tageszeitung Zycie Warszawy. Und in deren Leib- und Magenblatt Gazeta Wyborcza schrieb Adam Michnik: „Es ist bitter, das zugeben zu müssen, aber gewonnen haben Parteien, die ihre Wurzeln in der kommunistischen Diktatur haben. Das heißt, daß für eine große Zahl der Wähler diese Vergangenheit aufgehört hat, kompromittierend zu sein.“

Die vorläufigen Ergebnisse der polnischen Parlamentswahlen vom Sonntag bestätigen den von Demoskopen vorausgesagten Wahlsieg der Exkommunisten. Sollte sich an diesen Ergebnissen nichts mehr ändern, könnte das Bündnis mehr als ein Drittel der Parlamentssitze einnehmen, zusammen mit der Bauernpartei fehlen ihnen dann aber fünf Mandate zur absoluten Mehrheit. Außerhalb des Parlaments bleibt praktisch die gesamte Rechte, mit Ausnahme der „Konföderation Unabhängiges Polen“, die deutlich über der Fünfprozentmarke liegt. Im Sejm vertreten sein wird voraussichtlich äußerst knapp mit cirka 20 Mandaten Walesas „Überparteilicher Block zur Unterstützung der Reformen“ sowie mit vier Mandaten die nationalen Minderheiten, für die keine Fünfprozentklausel gilt.

Bereits am frühen Montagvormittag begannen erste informelle Sondierung der Exkommunisten mit der Bauernpartei. Auf Signale, Frau Suchocka im Amt zu belassen und eine Koalition mit der Demokratischen Union zu versuchen, reagierte Polens amtierende Premierministerin ebensowenig wie ihre Parteiführung. Professor Geremek erklärte noch in der Wahlnacht, seine Partei werde in die Opposition gehen. Ähnlich äußerte sich selbst Wladyslaw Frasyniuk, der für den Fall eines Wahlsiegs der Union für eine Koalition mit dem Linksbündnis eingetreten war. Jozef Oleksy, einer der Führer des Bündnisses, erklärte inzwischen, seine Partei beginne ihre Koalitionsverhandlungen ohne jede Vorbedingung, was bedeutet, daß die Partei weder auf den Posten des Premiers noch auf bestimmte Ministerposten Anspruch erhebt. Als ausgeschlossen gilt lediglich eine Kombination mit der antikommunistischen, populistischen „Konföderation Unabhängiges Polen“.

Erste Wahlanalysen zeigen, daß die mit über 50 Prozent deutlich höhere Wahlbeteiligung als 1991 vor allem der Bauernpartei und den Exkommunisten und nicht kleinen, radikalen Parteien zugute kam, die fast alle unter zwei Prozent blieben. Polens Sozialdemokraten erhielten ihre Stimmen von überdurchschnittlich vielen Akademikern, Arbeitern und Bewohnern der Kleinstädte und des flachen Landes. Besonders dort sahnte auch die Bauernpartei ab, während die Demokratische Union vor allem Wähler in den Städten, junge Leute und Gebildete anzog. Die ältere Generation stimmte überdurchschnittlich für Christnationale und Konservative, die als Listenverbindung nicht über die Acht-Prozent-Grenze kamen und außerhalb des Parlaments bleiben. Chancen hat noch die Gewerkschaft Solidarność, der zu fünf Prozent nur zwei Zehntel fehlen. Das endgültige amtliche Ergebnis wird erst am Freitag vorliegen. Bis dahin will sich Präsident Walesa nicht dazu äußern.

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