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■ Bitte keine Präsente! Eine häufige Abmachung unter FreundInnen zum Fest. Aber wer nichts schenkt, verschenkt sich was. Denn im Akt der persönlichen Gabe steckt Magie. Sagt die "Geschenkforschung"Die Tücken des Schenkens

Die Tücken des Schenkens

Manche würden sie am liebsten abschaffen. Geschenke! Gäbe es irgendwo ein Grab, in das man unliebsame Pflichtpräsente versenken könnte, es wäre eine Fundgrube für die geschichtsinteressierte Nachwelt. Das karierte Schweizer Seidentuch von der Tante, das aufdringliche Parfüm von den Schwiegereltern, der Günter-Grass-Roman vom Vater: Zeichen unserer Geschenk-Unsitten. Dabei könnte alles viel schöner sein. Denn „Schenken gehört zu unserer Kultur, zu unseren Festen dazu“, sagt der Berliner Sozialwissenschaftler Friedrich Rost.* Im Schenken steckt Magie. Eigentlich.

Zuerst die ernüchternde Nachricht: 96 Prozent aller Geschenke werden zu Anlässen überreicht. Die teuersten Präsente bekommen die Ehepartnerinnen, die meisten Geschenke die Kinder. Der größte Teil der Gaben seien zwar „Pflicht- und Anstandsgeschenke“, so Rost. Aber auch die wären eine Gelegenheit für den Kenner, Feinfühligkeit zu beweisen. Das fängt bei der Auswahl an.

Den Empfänger nach seinen Wünschen zu fragen, ist zwar verbreitet, wird aber von der Benimm-Beraterin Sybil Gräfin Schönfeldt nicht empfohlen. Wird doch dann die Gelegenheit vertan, persönliche Bindung und Einfühlung in den Beschenkten zu beweisen. Vor allem aber: der Überraschungseffekt ist weg! Unersetzliches Moment, um den dramatischen Effekt zu erhöhen.

Dazu gehört die Verpackung. Die ist wichtig, so der amerikanische Geschenkforscher Cheal, um das Geschenk zu „personalisieren“ (ein Preisschild ist überall in der Welt eine Todsünde!). Erst durch das glitzernde Einwickelpapier ist das Präsent als solches erkennbar. Die knisternde Verpackung öffnet sich wie ein Theatervorhang – und die Gabe hat mit der GeberIn ihren gelungenen Auftritt. Oder auch nicht. Die Japaner sorgen vor: Dort gilt es als äußerst unhöflich, Präsente im Beisein der Schenkenden auszupacken.

Besonders gewagt ist das selbstgemachte Präsent, das laut amerikanischer Geschenkforschung zwei Prozent aller Gaben ausmacht. Vorsichtshalber überläßt man die Bastelei meist den Kindern: „Wenn dieser Tag anbricht und die sorgfältig gearbeiteten Geschenke gebracht und die bedeutende Zeichnung vorgelegt und die gelernten Lieder gesungen werden: Gott! Wie glüklich (sic!) sind dann die Kinder und wie gut zugleich, weil sie so glüklich sind“, schwärmte der Pädagoge Johann Ludwig Ewald 1808. Damals hielten Tannenbaum und Nikolaus gerade Einzug in die Weihnachtszimmer des Kleinbürgertums.

Noch persönlicher als selbstgemachte Gaben sind gebrauchte Gegenstände. Im Mittelalter waren Second-hand-Präsente durchaus üblich. „Damals hat man mit dem Geschenk einen Teil von sich selbst gegeben. Das durfte beispielsweise ein Schwert sein, das eine ruhmreiche Geschichte hatte“, schildert Rost. Auch wer ein getragenes Gewand überreicht bekam, fühlte sich besonders geehrt. Jedenfalls bis zum 10.Jahrhundert. Ab dann galten schweißgetränkte Röcke als unschickliche Präsente.

Schenken und klauen lagen im Mittelalter nahe beieinander. Waren doch die Gaben meistens geraubte Habe. Der Historiker Duby behauptete sogar, daß nur geraubt wurde „und dies mit einer Gier, die unersättlich schien“, um „noch freigebiger schenken zu können“. Vor den Augen der Öffentlichkeit bedachten Kriegsherren dann ihre Anhängerschar und Fürsten ihre Könige mit geklauter Habe. Hierbei kam es sogar „zu einem Wettbewerb der Freigebigkeit“, so Rost.

So weit muß es nicht kommen. Mitbringsel für den Besuch beispielsweise dienen nur dem Abbau von Aggressionen bei der Gastgeberin oder dem Gastgeber, in deren Intimsphäre der oder die BesucherIn eintaucht, erkundete der Verhaltensforscher Irenäus Eibl- Eibesfeldt. Hier spielen Nahrungsgeschenke eine wichtige Rolle: Wohl dem, der Kuchen mitbringt zum Nachmittagskaffee bei der neuen Freundin!

Das wirklich „selbstlose“ Präsent gibt es so gut wie gar nicht, glaubt man der Geschenkforschung. Selbst das christliche Almosen geben Spender in der Hoffnung, dereinst bevorzugt ins Paradies eingelassen zu werden. Auch an Weihnachten werden Geschenke entweder getauscht (unter Ehepartnern) oder via Christkind dem Nachwuchs beschert. Mit dem Hintergedanken, daß Playmobile und Benjamin-Blümchen-Videos wenigstens ein kleines bißchen Dankbarkeit wecken könnten. Kein Wunder also, daß Weihnachten und die ganze Schenkerei drumherum keineswegs so passé sind wie Geschenkmuffel immer meinen. Im Gegenteil: In Japan ist Weihnachten immer mehr im Kommen. Dort hat die shintoistische Bevölkerung das konsumstarke Christfest einfach aus den USA importiert. „An Weihnachten wird dort sündhaft teuer essen gegangen“, erzählt Rost. „Die Leute feiern richtige Konsumorgien.“ Barbara Dribbusch

*Friedrich Rost: „Theorien des Schenkens“. Verlag Die Blaue Eule. Essen, 1994.

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