piwik no script img

■ BusreisenBitte einsteigen!

Inmitten von Paris mit seinen alten, herrschaftlichen Häusern liegt eine kleine, häßliche Straße: die Rue de Maubeuge. Der Straßenverkehr spart die Einbahnstraße in der Nähe des Bahnhofs Gare du nord aus, auch Fußgänger verlaufen sich nicht dorthin. Nur zweimal am Tag wacht die Straße auf: Morgens, wenn ein Bus mit dem türkisfarbenen Schriftzug Gulliver ankommt und Menschen ausspuckt, und abends, wenn er Dutzende von Menschen aufnimmt und wegfährt – nach Berlin.

Jede Nacht fahren die Gulliver-Busse die Strecke Berlin–Paris in beide Richtungen. Schlafliegen auf Wunsch bestehen aus zwei umfunktionierten Sitzen. Der Preis liegt bei 139 Mark pro Fahrt, der ermäßigte Tarif 30 Mark darunter. Etwa 24.000 Fahrgäste hat Gulliver im letzten Jahr zwischen den beiden Hauptstädten befördert.

Gegründet wurde Gulliver 1982 in der alternativen Busszene, zu der etwa PrimaKlima oder auch BummelbusToura gehören. „Wir wollten eine Alternative zu den großen Busunternehmen schaffen, die damals für ihre muffigen und aggressiven Busfahrer bekannt waren“, drückt es der Marketingleiter aus. Wenn Gulliver Schüler auf Klassenfahrten in den Harz fuhr, durften sie unterwegs Party machen.

Den ersten Bus haben die Jungunternehmer noch selbst lackiert und ausgestattet. Die Mühe machen sich die Mitarbeiter bei den neun Bussen, die heutzutage für Gulliver nach Brüssel und Amsterdam, London und Moskau unterwegs sind, nicht mehr.

Punkt acht Uhr setzt sich der Bus in der Rue de Maubeuge in Bewegung. „Schönen Abend und herzlich willkommen!“, sagt über Lautsprecher eine kindliche Männerstimme. Eddi, der Steward, weist uns darauf hin, daß „die Toilette auch von Männern nur im Sitzen“ benutzt werden sollte. Nicht nur aus hygienischen Gründen, sondern auch wegen der Sicherheit.

Es ist leise im Bus. Einige Leute haben sich auf ihren Liegen schon zum schlafen hingelegt. Nur Steward und Busfahrer diskutieren über Langzeitstudenten und die Frage, ob es in der Bustoilette Wasser geben sollte.

Am nächsten Morgen um acht Uhr weckt Eddis muntere Stimme die Leute, die noch schlafen. „Sehr geehrte Damen und Herren, in 30 Minuten kommen wir am zentralen Omnibusbahnhof Berlin an. Bitte bereiten Sie sich vor, räumen Sie ihr Gepäck zusammen.“ Auf Eddis Stimme folgt laute Musik. Drei Leute bestellen Kaffee und Croissants. Der Rest starrt bleich und übernächtigt aus den Fenstern auf die vorbeirasenden kahlen Bäume. Die Bäume gehen in die Stadt über, das ICC zieht rechts vorbei, und dann fährt der Bus auch schon auf den Berliner Busbahnhof Zobb. Karen Wientgen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen