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Bisphenol AGiftige Chemikalie im Kindergarten

Umweltschützer finden Bisphenol A in vielen KiTas und fordern ein weitreichendes Verbot. Das Umweltbundesamt unterstützt dies, doch die Regierung wartet ab.

Mehr Durchblick auch bei Chemie im Kindergarten – fordert auch das Umweltbundesamt. Bild: reuters

BERLIN taz | In Babyflaschen ist die schädliche Chemikalie Bisphenol A (BPA) seit Mitte des Jahres EU-weit verboten. Doch in vielen anderen Produkten, mit denen Kinder ebenfalls in Kontakt kommen, findet sich der umstrittene Stoff weiterhin.

Um seiner Forderung nach einem weitergehenden Verbot Nachdruck zu verleihen, hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) nun die Belastung von Kindertagesstätten untersuchen lassen. 107 Kitas schickten dafür gefüllte Staubsaugerbeutel ein. In 92 der Proben wurde BPA nachgewiesen. Der Mittelwert lag bei 4,4 Milligramm BPA pro Kilo Staub.

Damit werden die EU-Grenzwerte zwar in den meisten Fällen nicht überschritten, sagt BUND-Chemieexpertin Sarah Häuser. Dennoch sieht der Verband Handlungsbedarf. "Bisphenol A beeinträchtigt bereits in geringsten Mengen das empfindliche Hormonsystem von Kindern", erklärt Häuser. Als Konsequenz aus den Untersuchungen fordert der BUND von Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU): "Hormonelle Schadstoffe müssen grundsätzlich in allen Produkten verboten werden, die im Umfeld von Kindern verwendet werden."

"ausreichendes Besorgnispotenzial"

Unterstützung kommt vom Umweltbundesamt: "Es ist aus unserer Sicht gerechtfertigt, Vorsorgemaßnahmen zu erwägen, um Säuglinge, Kinder und Schwangere besser vor Bisphenol A zu schützen", sagt Sprecher Martin Ittershagen der taz. Es gebe ein "ausreichendes Besorgnispotenzial", um "die Verwendung von Produkten, die Bisphenol A enthalten, zu beschränken".

Ob die Bundesregierung dieser Empfehlung nachkommt, ist aber fraglich. Das Verbraucherschutzministerium, das das BPA-Verbot in Babyflaschen umgesetzt hatte, erklärt sich für nicht zuständig: Sofern es nicht um konkrete Belastung durch "Lebensmittelbedarfsgegenstände" gehe, sondern um allgemeine Luftbelastung durch Chemikalien, sei das Umweltministerium zuständig. Dort will man die BUND-Studie zunächst prüfen.

Bisphenol A steht im Verdacht, das menschliche Hormonsystem zu verändern, die embryonale Entwicklung zu stören und die Fortpflanzungsfähigkeit zu beeinträchtigen. Die Chemikalie wird in zahlreichen Alltagsprodukten wie Konservendosen, Plastikgeschirr oder Kassenbons eingesetzt, aber auch in Baumaterialien wie Klebstoffen oder Fugenmörtel. Woher das in den Kitas nachgewiesene BPA hauptsächlich stammt, wurde durch die Studie nicht ermittelt.

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4 Kommentare

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  • Dieser Artikel ist sehr interessant und zeigt Mängel auf ! Heuchelei auf allen Ebenen...

  • S
    Spritzendorfer

    Leider dauert es vor allem auch bei Bauprodukten viele Jahre, bis als "gesundheitsschädlich" erkannte Stoffe auch definitiv verboten werden; zu massiv ist hier eine Industrielobby, die bereits in der Vergangenheit jahrzehntelang immer neue "Nachweise" forderte, bis Produkte wie Asbest,aber auch Lindan,PCP (Holzschutzmittel) erstmals verboten wurden. Schell erscheinen dann Nachfolgeprodukte mit ähnlichen Wirkstoffen (z.B. Ppropiconanzol in vielen aktuellen Holzschutzmitteln (http://www.toxcenter.de/stoff-infos/p/propiconazol.pdf ), deren "Gefährlichkeit" nun erneut nachgewiesen werden muß.

     

    Offensichtlich ist die Politik nicht bereit, gerade bei Baustoffen (aber auch anderen Produkten des täglichen Bedarfs) hier kurzfristig bei "erkannten" Giften wie gerade die Weichmacher (aber auch andere Gifte wie viele Flammschutzmittel, Konservierungsstoffe u.a.) auch konsequent mit Verboten durchzugreifen.

  • N
    nachtigallfan

    Was ich nicht so ganz verstehe: BPA wird in Babyflaschen verboten. Aber in so vielen Alltagsgegenständen, die direkt oder indirekt mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, ist es weiterhin enthalten und auch (noch) erlaubt.

     

    So darf es weiterhin in Kunststoffflaschen enthalten sein, mit denen Bauernhöfe die "gute Milch direkt von der Kuh" an Schulen und Kindergärten liefern.

    Einen solchen Milchhof hier im Landkreis darauf angesprochen, meinte der Bauer nur: Was ich denn gegen diese Macrolon®-Flaschen hätte, Polycarbonatflaschen seien doch soo praktisch: jahrelang benutzbar, da unzerbrechlich, leicht und nebenbei noch klar wie Glas. Also geradezu ideal für Kinderhände!

     

    Dieses Polycarbonat, das ja aus Bisphenol A hergestellt werd, ist z.B. auch im Dünsteinsatz des Thermomix® von Vorwerk enthalten. Das Gerät wird sogar noch damit beworben, daß man damit gut Baby- und Kleinkinderkost herstellen könne. Der Hersteller weißt natürlich alle Bedenken weit von sich.

     

    Oder es ist, wie oben im Text erwähnt, als Beschichtung auf Thermopapier aufgebracht, um an den benötigten Stellen das Papier zu schwärzen. Heutzutage wird Thermopapier für fast alles verwendet, für das man früher Tinte bzw. ein Farbband nutzte. Also für Kassenbons (Kassiererinnen haben nachgewiesenermaßen deutlich erhöhte BPA-Werte im Blut im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, da es durch die Haut der Finger aufgenommen wird), Kontoauszüge oder auch die Quittung über die bei der Stadtbibliothek ausgeliehenen Bücher etc.

     

    An der Kasse oder auch auf dem Wochenmarkt werden im Wechsel unverpackte Lebensmittel und dann wieder das Thermopapier angefaßt. Damit wird das BPA auf die Lebensmittel übertragen. Will man dies verhindern, muß man selber alles eintüten, womit der Müllberg unnötigerweise wächst, denn eiegntlich muß ja nicht alles verpackt sein. Jedenfalls halte ich das so.

     

    Muß man dieses Thermopapier denn nun überall nutzen? Auch und gerade dort, wo man Kontakt zu Lebensmitteln hat??

     

    Die Leute, also Kunde und Kassierinnen, darauf angesprochen, zuckten nur die Schultern . Es ist ihnen also gleichgültig!

     

    Klar, wenn man nicht gleich tot umfällt oder evtl. todkrank wird dank EHEC, ist es den Leuten egal.

     

    Komisch, bei EHEC waren die Leute fast panisch. Warum nicht auch bei BPA??

  • S
    spiritofbee

    Abwarten ist das Gebot der meisten Politiker....bis die

    X-perten eindeutig nachgewiesen haben, was so passieren kann mit der Kontamination der Kinder.

    Dann hat das Gesundheitssystem halt einen Patienten auf Lebenszeit, wen störts? Nachweisen kann ( will? ) das eh kein Mensch mehr, vor allem wenn die gesundheitlichen Störungen erst Jahre später auftreten!

    Alle Jahre wieder können wir diese Diskussionen über Gifte in Kinderspielsachen lesen...Als Eltern können wir doch nur denken, daß den verantwortlichen Politikern, Beamten, Importeuren und Produzenten die Gesundheit unserer ( auch ihrer eigenen! ) Kinder doch in Wirklichkeit komplett egal ist.

    Vor allem schiebt sich hier jeder gegenseitig die Verantwortung zu ohne irgenwelche Konsequenzen. Im Gegenteil die Höchstwerte werden auch noch industriefreundlich nach oben gesetzt.

    Heuchelei auf allen Ebenen....