Bischöfe wollen Missbrauch aufarbeiten: „Schmerzliche Lernerfahrung“
Der erste Versuch einer Aufklärung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche war gescheitert. Nun wird ein Forschungskonsortium beauftragt.
BONN taz | Die deutschen Bischöfe nehmen einen neuen Anlauf zur wissenschaftlichen Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche. Ein Forschungskonsortium, dem sechs Professoren und eine Professorin angehören, soll sich in den kommenden dreieinhalb Jahren mit dem dunklen Kapitel beschäftigen. „Wir wollen Klarheit und Transparenz“, sagte der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz und Trierer Bischof, Stephan Ackermann.
Neben einer „soliden quantitativen Erhebung“ gehe es um eine „qualitative Analyse institutioneller Einflüsse“, sagte Ackermann. Geleitet wird das interdisziplinäre Forschungsverbundprojekt „Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz“ von Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Ausgestattet ist es mit einem Budget von knapp unter einer Million Euro.
Ziel sei, so Dreßing, Strukturen und Dynamiken innerhalb der katholischen Kirche zu erkennen, die Missbrauchsdelikte befördert haben könnten. Der Neurowissenschaftler versicherte, das Forscherteam sei „völlig unabhängig“ in seiner Arbeit. Auch die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen unterlägen keinen Beschränkungen.
Der jetzt vergebene Forschungsauftrag ist bereits der zweite Aufarbeitungsversuch. Anfang 2013 hatte die Bischofskonferenz aufgrund „unüberbrückbarer Differenzen“ ihre Zusammenarbeit mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) beendet. Grund für das Zerwürfnis waren unterschiedliche Vorstellungen über den Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und den im Kirchenrecht vorgesehenen Umgang mit Akten. Das 2011 gestartete Forschungsprojekt sei „an den Zensur- und Kontrollwünschen der Kirche gescheitert“, warf Institutsleiter Christian Pfeiffer den Bischöfen vor. So seien ihm wichtige Akten vorenthalten worden.
Ackermann sprach am Montag von einer „schmerzlichen Lerngeschichte“. Er zeigte sich zuversichtlich, dass es nicht noch einmal zu einem solchen Desaster kommen werde. Er betonte, dass die Forschungen des Konsortiums nicht nur mit dem staatlichen, sondern auch mit dem Kirchenrecht konform gehen müssen. Dazu gehöre, dass die Wissenschaftler keinen direkten Zugang zu den Personalakten haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Haftbefehl gegen Benjamin Netanjahu
Er wird nicht mehr kommen