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DURCHS DROEHNLANDBis zum nächsten Wasserloch

■ Die besten, schlechtesten, wichtigsten und unwichtigsten Konzerte der Woche

Australien war berühmt und ist inzwischen eher verschrien wegen seiner kompromißlosen Hardrock- Bands, die sich jahrelang abgeschottet von der Welt entwickelten wie andere obskure Tierarten auf dem kleinsten Kontinent. Neben diesen Dumpfrockern gab es immer aber auch feine, sanfte Folkrock-Bands wie die aufgelösten und inzwischen gerüchteweise wieder reformierten Go-Betweens. Hier sind auch die Wild Pumpkins At Midnight einzuordnen. Gegründet wurde 1984, die erste LP folgte erst 1988, in Australien hatte man inzwischen einen lokalen Kultstatus erreicht. Die bislang letzte LP Little Victories erinnert in den manchmal gar zu komplizierten, korksigen Melodieführungen an die Übereltern Go-Betweens, der leichte, flirrende Gitarrensound und die oft mehrstimmigen Knabenchor- Gesänge an britische Folkrock-Bands zu Beginn der 80er wie Aztec Camera. Eigentlich viel zu süß für die sich zu ernstnehmenden Müsli-Texte über böse Kriege, Frauen, das Militär und Frauen. Angeblich sollen sie inzwischen rockiger geworden sein. Lassen Sie sich überraschen.

Am 171. um 22Uhr mit The Fate und Mr.Grieves aus Berlin auf der Insel der Jugend, Alt-Treptow6, 1193.

Die meiner Meinung nach beste Berliner Platte 1991 lieferten Ornament & Verbrechen. Dort schafften die Ostberliner es, ihre bei Live-Auftritten allzu chaotischen Versuche, geniales Dilettantentum zu demonstrieren, mit kräftigen Dancebeats und harten Rocksounds zu kombinieren, ohne daß die krude Mischung auseinanderfiel. Trotzdem ist zu befürchten, daß ohne den auf der Bühne fehlenden Produzenten weiter das fröhliche Intrumentengewechsel und halb geplante Zusammenbrüche des Equipments bevorstehen. Oder halt auch nicht. Hier kann alles passieren.

Am 171. um 22Uhr im Knaack-Club, Greifswalder Straße224, 1055

Was sagt uns Kentucky? Richtig: Whiskey. Was sagt uns Lexington, Kentucky? Richtig: nichts. Provinz halt, eben die Gegend, wo heutzutage Punkbands herkommen. Nine Pound Hammer sind allerdings keine stinknormale Uffta-Uffta-Punkband, sonst kämen sie nicht auf Crypt Records heraus. Die sind nämlich dafür bekannt, große Ramones-Fans und noch größere Rhythm & Blues-Fans zu sein, und jede ihrer Bands sollte das tunlichst unter einen Hut bringen. Während andere Crypt-Bands wie die Raunch Hands oder die Mighty Caesars eher die R & B-Elemente in den Vordergrund stellen, kommen Nine Pound Hammer, so wie die Devil Dogs, eher vom Drei-Akkord-Prolorock der Ramones. Ihnen geht allerdings die unverschämte Leichtigkeit der New Yorker ab, deshalb sind sie mehr Punk als Pop, das ist eben der Whiskey. In all ihrer Dumpfheit sind sie allerdings ziemlich grandios, das geht so nach vorne wie ein 20-Tonnen-Truck, eher langsam beschleunigend, aber dann nicht mehr aufzuhalten.

Am 18.1. um 22Uhr im K.O.B., Potsdamer Straße157, Schöneberg

Wenn einer eine Reise tut... Früher eine traditionalistische Rockabilly-Band, haben die Bremer Rumble On The Beach nach einem USA-Aufenthalt ihren Stil erweitert. Auf der immer noch sehr altertümlich klingenden Rockabilly-Basis gibt es mehr Country, ein bißchen Blues, auch mal Bläser und die traurige Ballade. Für Psycho-Billy waren sie früher nicht hart genug, und jetzt gehen sie als richtige Rock'n'Roller auch nicht durch. Und das deswegen, weil sie vor allem Kopisten sind. Aber dafür die besten, die das norddeutsche Flachland zu bieten hat. Der selbstgestellte Anspruch ist nicht allzu hoch, wie der Titel der letzten LP offenbart: Good Times & Some Mighty Rock'n Roll. Gecovert wird bei Rumble On The Beach fleißig quer durch den Garten: Gene Vincent, Plastic Bertrand, Link Wray, Chuck Berry, Johnny Burnett, und immer wieder gerne als Live-Höhepunkt Purple Rain von Prince.

Am 18.1. um 21Uhr im Ecstasy, Hauptstraße30, Schöneberg

Der letzte Held der Stadt. In einer stahlblauen und kalten Umgebung aus verranzten Hinterhöfen mit dekorativen Abrißbirnen, Autobahnauffahrten und Tekkno-Beats hält er weiter seine Gitarre schützend vor sich wie weiland Roman Polanski das Kruzifix in Tanz der Vampire. Kristof Hahn ist sein Name, „Justice“ wird er genannt, Gitarrist bei den Legendary Golden Vampires, Gründer der Nirvana Devils und Gastmusiker bei den britischen Swans war er. Neuerdings ist die Memphis-Legende Alec Chilton sein bester Kumpel, und Hahn geht mit dessen kultisch verehrtem Namen und einer als Kool Kings zusammen eingespielten Platte in den Berliner Clubs hausieren. Leben muß er immer noch von Gelegenheitsjobs, aber immer noch ist er der grundsympathischste Rock'n'Roller, den diese Stadt hervorgebracht hat. Und Helden haben's eben schwer.

Am 19.1. um 21Uhr in der Stern-Bar, Hohenfriedbergstraße17, Schöneberg

Stench of death welcomes you/ In a crypt of agony/ Dwelling in morbid thoughts“. Das sind die ersten Zeilen der Debüt-LP des holländischen Trios Asphyx. Die sind quasi die Nachfolgeband der mittelschwer berühmten Pestilence, denn Sänger/Bassist van Drunen und Gitarrist Daniels waren vormals bei den Pestbeulen. Im von hektischen Stilwechseln, -verschmelzungen und -fortentwicklungen geplagten Hardcore- und Metal-Bereich verlaufen die Grenzen inzwischen völlig fließend zwischen Grindcore, Doom- und Death-Metal. Eine Band wie Asphyx trägt dem Rechnung und läßt sich kaum noch einordnen, weil oft in einem einzigen Song die schweren dampfenden Riffs des Doom, das Manische-Gitarren-Geklopfe des Death und hin und wieder sogar das große, fiese Rülpsen des Grindcore vorkommen. Hier geht es nicht mehr unbedingt darum, möglichst schnell und brutal zu sein, sondern man bemüht sich mit schon fast akademischer Verzweiflung um einen differenzierten Songaufbau. Nichtsdestotrotz fehlt bei Asphyx natürlich nicht die obligatorische Aggressivität, denn schließlich geht es darum, Zeilen wie die oben zitierten zu vertonen.

Ähnliches gilt auch für Benediction und Bolt Thrower: Wechsel zwischen düsteren Doom-Parts und Death-Gekloppe, dabei immer auf der Suche nach dem musikalischen Anspruch, der sich unter Umständen doch hier verbergen könnte. Bei Benediction besticht vor allem das Organ von Sänger Dave Ingram. Der Mann scheint den Stimmbruch mehrmals durchlitten zu haben.

Außerdem sind Benediction so um die Gitarrenarbeit bemüht, daß sie mit dem endlosen Gefichtel in für Death ungewohnt hohen Tonlagen ab und an ein paar ungute Erinnerungen an die Siebziger wecken. Der definitive Dreierpack für den anspruchsvollen Headbanger.

Am 21.1. um 21Uhr im Ecstasy, Hauptstraße30, Schöneberg

Iist der Mann vielleicht Captain Beefheart? Ähnlich versponnen und selbstbezogen ist Howe Gelb auf jeden Fall, definitiv ein netterer Mensch ist er allerdings auch. Man kann im Vorfeld eines Giant Sand-Konzertes mit Sicherheit nur wenig sagen. Eigentlich nur, daß Howe Gelb auf der Bühne stehen und John Convertino am Schlagzeug sitzen wird. Der Rest ist in ständigem Fluß. Da werden zu zweit Alben in drei Tagen eingespielt oder lange versoffene Konzerte gegeben, es können aber auch kurze, konzentrierte Acts einer Band, die zum Ende hin dann doch immer länger werden, weil sich immer mehr Leute auf der Bühne einfinden, die rein zufällig ein Instrument dabeihaben.

So bleibt das einzig Beständige Gelb selbst, eigentlich ein Singer/Songwriter, eine Art Wüsten-Dylan, der nur sich, seine Gitarre und vielleicht eine Flasche braunen Tequila braucht, um glücklich zu sein. Weil das auf Dauer zu langweilig und er ja eigentlich auch ein ganz umgänglicher Typ ist, läßt er sich mit fremden Menschen ein und geht auf Tournee. Dort erzählt er dann zwischen den eh schon elegischen Stücken noch längere Geschichten und nimmt noch einen Schluck aus der Flasche, denn in der Wüste ist es trocken, Mann. Die letzte Platte Ramp ist im Gegensatz zum Vorgänger Long Stem Rant weniger konfus, mehr poporientiert, was allerdings nichts zu bedeuten hat, denn nicht nur die Besetzungen von Giant Sand wechseln ständig, auch der Vinyl-Ausstoß ist beträchtlich. So zerfahren wie Gelb selbst sind auch die Stilarten, die er integrieren kann.

Ursprünglich vom puritanischen Wüstenrock Arizonas (Green On Red, Naked Prey) kommend, wird alles integriert: Neil Young, Frank Sinatra, Daniel Johnston, mehr mehr mehr. Immer völlig auseinanderklaffend werden die einzelnen Zitate auch nicht verbreit, sondern stehen wie Monolithen einsam in der Landschaft. In der Wüste ist viel Platz. Typisch bleiben einzig Howe Gelbs sanfte Stimme, seine zähen Songs und sein mildes Gemüt. Definitiv der beste Mann von hier bis zum nächsten Wasserloch.

Am 23.1. um 20.30Uhr, im Loft, Nollendorfplatz to

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