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Bis zum Rücktritt: Senatorin denkt nur an die Familie

■ Erst hat Hamburgs Sozialsenatorin der Firma ihres Mannes einen Millionenauftrag zugeschanzt, jetzt tritt sie zurück, um ihre Kinder vor „Anwürfen“ zu schützen

Hamburg (taz) – 24 Stunden lang wurde verzweifelt nach Ausflüchten gesucht. Dann ging alles ganz schnell: Gestern mittag trat Hamburgs Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) zurück. Sie zog damit die Konsequenzen aus der von der taz am Samstag veröffentlichten „Ehegattensplitting-Affäre“.

Die Senatorin hatte im August letzten Jahres persönlich interveniert, um der Alida-Schmidt-Stiftung, deren Geschäftsführer ihr Ehemann Peter Fischer ist, einen Millionenauftrag ihrer Behörde zuzuschanzen. Der Auftrag für eine Alkoholiker-Therapieeinrichtung war zu dem Zeitpunkt bereits an das Guttempler Hilfswerk vergeben worden, welches das preisgünstigste und beste Konzept vorgelegt hatte. Nach Fischer-Menzels empörtem Protest – „Ich bin damit nicht einverstanden!“ schrieb sie im August vorigen Jahres in einem handschriftlichen Aktenvermerk, der der taz vorliegt – war die Zusage an die Guttempler zurückgezogen worden. Ein halbes Jahr später, am 21. Januar 1998, erhielt die Stiftung des Senatorinnen-Gatten den Zuschlag. Das Bewerbungsangebot der Stiftung war rund 150.000 Mark im Jahr teurer als das der Guttempler. Insgesamt ist der Auftrag rund 1,3 Millionen Mark im Jahr wert.

„Es gibt nicht den geringsten Hinweis auf so etwas wie eine persönliche Bereicherung oder Vorteilsnahme irgendeiner Art“, sagte Fischer-Menzel in ihrer Rücktrittserklärung. Öffentliches Geld sei nicht in „private Portemonnaies“ geflossen: „Es ist absurd, den Auftrag so darzustellen, wie es im Augenblick geschieht.“ Mit ihrem Eingreifen in einen Vorgang, mit dem sie normalerweise nichts zu tun hat, habe sie nur dafür sorgen wollen, daß Hamburger Träger vorrangig behandelt werden.

Das Guttempler-Hilfswerk ist allerdings, betonte der Bundesvorsitzende Helmut Lehmann gegenüber der taz , ebenfalls ein in der Hansestadt eingetragener Verein. Dennoch gab Fischer-Menzel gestern dem Fachamt ihrer Behörde und ihrem Staatsrat Peter Lippert die Schuld für die Affäre. Ihre „politischen Vorgaben“ seien von Lippert, dessen Posten dem eines Staatssekretärs entspricht, „nicht hinreichend beachtet worden“. Dennoch werde sie die politische Verantwortung übernehmen. „Was gegenwärtig läuft, das zu ertragen, bin ich nicht bereit und geht als Zumutung auch an eine Politikerin zu weit“, sagte sie. Sie wolle ihre Kinder „nicht weiterhin Anwürfen dieser Art aussetzen“. Und: „Die babylonische Sprachverwirrung in ehrabschneidender Absicht ist der Grund, warum ich jetzt meinen Rücktritt erkläre.“

Die Nachricht von der Affäre hatte am Freitag abend die altehrwürdige und vornehme „Matthiae-Mahlzeit“ aufgestört, zu der der Hamburger Senat alljährlich im Februar über 400 handverlesene Gäste einlädt. Fischer-Menzel stürmte noch vor dem Dessert aus dem Großen Festsaal des Rathauses, um die erste Krisensitzung einzuberufen. Hamburgs Erster Bürgermeister Ortwin Runde, ein erklärter Förderer und Beschützer Fischer-Menzels, ließ die Senatorin zunächst gewähren. Als jedoch klar wurde, daß sie keine schlagkräftigen Gegenargumente liefern konnte, und die Affäre außer Kontrolle zu geraten schien, breitete sich Nervosität aus. Die ARD-Tagesthemen berichteten über die Ehegatten-Begünstigung als Spitzenmeldung, am Sonntag morgen sprach der NDR bereits von „Korruptionsvorwürfen“. Der Regierungschef riet seiner Parteifreundin schließlich zum Rücktritt, heißt es aus SPD-Kreisen.

Um den politischen Schaden zu begrenzen, wird nun eilig nach einer Nachfolge gesucht. Denn die Hamburger SPD hat gegenwärtig Sorgen genug. Erst vor zwei Wochen war sie bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Der renommierte SPD- Außenpolitiker Freimut Duve wurde in seinem Hamburger Wahlkreis abgesägt, um einem umstrittenen Zögling des mächtigen rechten Bausenators Eugen Wagner als Bundestags-Direktkandidat zu inthronisieren. Als Exbürgermeister Henning Voscherau kandidieren wollte, ließ Wagner auch ihn auflaufen. „Ein Galgenstück“, das an „Peinlichkeit nicht zu toppen“ sei, tobte ein führendes Parteimitglied. Wie man den Verzicht auf Duve und Voscherau im Bundestagswahlkampf den WählerInnen erklären will, weiß die SPD auch noch nicht so genau. „Das wird sicher nicht ganz einfach“, gesteht SPD-Landesgeschäftsführer Werner Loewe.

Silke Mertins Kommentar Seite 12

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