: Bis die Finger bluten
Ein wirklich seriöser Sport: Der Schwede Jakob Lindahl ist weltweit die Nummer 1 – im Tischhockey ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff
Mit den „richtigen“ Eishockeyspielern in Gelb und Blau lief es bekanntlich gar nicht so gut bei der WM in Wien – man schied im Viertelfinale aus, und das traf die Schweden hart. Ein kleiner Trost kommt deshalb sehr gelegen: Schwedens Tischhockey-Cracks dürfen sich nach wie vor der Mannschaftsweltmeisterschaft rühmen – das tut gut, selbst wenn zu allem Übel (und auch in Wien) ein tschechischer Spieler sich den Einzel- WM-Titel holte. Natürlich mit einem schwedischen Trick: „Die Schußvariante zum ersten Tor hatte ich ihm erst beigebracht“, jaulte der gegen David Soelder unterlegene Jonas Lodin.
Tischhockey ist eigentlich Tisch-Eishockey und hat sich mittlerweile zu einem echten Profisport entwickelt. Die Nummer eins der inoffiziellen Weltrangliste, der Schwede Jakob Lindahl (22), kann auf eine halbjährige Profikarriere zurückblicken. Zwischen Spielzeugregalen und Getränkekisten. Er bereist nämlich die Super- und Spielzeugmärkte des Landes und tritt dort gegen die jugendlichen oder schon leicht angegrauten örtlichen Tischhockeymeister an – die dann meist keine Chance gegen ihn haben. 3:0 lasse er sie wegen des größeren Spaßes erst einmal in Führung gehen, erzählt Lindahl. Danach schlägt er aber gnadenlos zu. 99 von 100 Spielen gewinnt er auf seinen Supermarkttourneen. Und die Niederlage im 100. ist meist auch nur der Erschöpfung geschuldet. Glaube niemand, Tischhockey sei ein Spiel für Bierbäuche. Hartes Konditionstraining, kilometerweite Waldläufe und ein Ernährungsplan sind das Geheimnis des Erfolges. Und Training an den Stahlstäben, bis die Finger bluten. Zu Hause in Umea kann Jakob Lindahl schon einmal stundenlang ein und denselben Schußtrick trainieren. Bis er sitzt. Zum Beispiel seinen Lieblingsschuß, den er – unübersetzbar – „Hjerpe“ nennt: „Du drehst den Centerspieler blitzschnell um die Achse, so daß der Hockeyschläger mit der Rückseite auf den Puck trifft. Landet er genau an der äußersten Schlägerspitze, knallst du ihn mit Garantie neben den Torhüter ins Netz.“
„Wir betreiben wirklich einen absolut seriösen Sport“, baut Nationaltrainer Lasse Henriksson möglichen Mißverständnissen gleich vor. Er selbst hat schon dreimal die schwedischen Meisterschaften gewonnen und hält auch jetzt noch gut mit, obwohl er seine Lieblingsmannschaft „Kongo“ nicht mehr benutzen darf. Das sind schwarze Spieler in leuchtend rotem Dress. Die gibt's nämlich nicht zu kaufen – weil es vermutlich im Kongo auch keine einzige Eishockeymannschaft gibt. Er hatte sich die selbst angemalt. Das aber ist neuerdings bei Meisterschaften verboten. Da dürfen nämlich nur die Originalspiele frisch aus der Stiga-Fabrik benutzt werden. „Bei den selbst bemalten privaten Spielern ist zuviel Schmu gemacht worden. Da wurden die Schläger gewinkelt oder verlängert und andere Sachen.“ Aber zum Privattraining spielt noch jeder Enthusiast mit seiner selbst bemalten Mannschaft. Henriksson: „Das gehört ganz einfach dazu.“
Henriksson war es im übrigen auch, der Jakob Lindahl vor neun Jahren entdeckt hat. Damals war er in Schweden unangefochtene Spitze. Von Spielzeugfirmen und Supermarktketten finanzierte Profittourneen gab es da noch nicht, aber doch Vorführspiele. „Und plötzlich“, so erinnert sich Henriksson, „kommt da so ein kleiner, dunkelhaariger Dreizehnjähriger, der kaum über die Tischkante reichte, und knallte mir einen Rückhandschuß nach dem anderen rein.“
Heute ist der damals aus Südkorea frisch nach Schweden adoptierte Lindahl („Man kann nicht sagen, daß mir das Hockeyspielen in den Genen mitgegeben wurde“) der Gretzky am Hartplastik. Mit stoischer Ruhe, einem beispielhaften Konzentrationsvermögen und Fingern, die er außer an den Stahlstäben noch auf dem Klavier trainiert, damit sie so richtig flink bleiben. Zu allem Glück darf er sich auf einem „Eis“ austoben, an dem es nichts zu mäkeln gibt. Denn das weiß in Schweden jeder: Es war einzig das schlechte Eis in Wien, das die „richtige“ Drei-Kronen- Mannschaft um den WM-Titel gebracht hat.
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