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Birte Müller Die schwer mehrfach normale FamilieUnfrei zu Hause lernen

Ich habe Freunde, die sind extra in eine einsame Region in der Schweiz gezogen, nur um ihre Kinder nicht weiter in die Schule schicken zu müssen.

Für mich war das eine Horror-Vorstellung – die Kinder immer im Haus! Unser behinderter Sohn Willi hat die Größe eines Teenagers und den Geisteszustand eines Zweieinhalbjährigen in der Trotzphase. So sehr ich ihn liebe, aber ohne seine Schule müsste ich leider durchdrehen!

Mit unserer unbehinderten Tochter dagegen bekamen wir erst Probleme, als sie zur Schule kam. Olivia verweigerte ab der ersten Woche das gleichgeschaltete Lernen theoretischer Inhalte. Da war mir schnell klar, warum man auf einen einsamen Berg in die Schweiz zieht!

Unsere Tochter stand durch den Zwangsbesuch der Schule in den ersten Jahren psychisch so unter Druck, dass ich mich regelmäßig bei dem Wunsch ertappte, sie nicht weiter hinzuschicken.

Ich mutmaßte oft, ich könnte Olivia mit viel mehr Spaß in viel kürzerer Zeit viel Wichtigeres beibringen. Aber was für ein Leben sollte das für sie sein, ohne andere Kinder? Und was für ein Leben sollte das für mich sein, ohne meine Arbeit?

Seit nun die Schulen geschlossen sind, ist das einzige Positive, was ich dem abringen kann, dass Willi keinen Schulstoff hier bearbeiten muss und wir mit Olivia jetzt mal sehen können, wie das Lernen ohne Schule klappt.

Ich weiß aber nicht, wie ich so bescheuert sein konnte, Homeschooling mit freiem Lernen zu verwechseln! Ich soll ja nur die Sklaventreiberin sein zur Umsetzung von Aufgaben, die ich so nie stellen oder bearbeiten würde. Da quälten wir uns freudlos durch das Material zum Thema Steinzeit, und erst als ich meine Tochter in Ruhe ließ, saß sie im Garten und stellte sich einen Faustkeil her. Mit Papa versuchte sie dann ewig ein Feuer ohne Streichhölzer anzuzünden. Olivia war so motiviert, dass sie mit ihrem Faustkeil gern ein Wildschwein gehäutet hätte – aber leider haben wir nur Kaninchen, die wollte sie dann doch nicht nehmen.

Birte Müller 45, ist Bilderbuchillustratorin, Autorin und Mutter zweier Kinder: Willi (12) mit Downsyndrom und Olivia (10) mit Normalsyndrom. Mehr Informationen auf www.illuland.de

Es nervt mich so was von an, hier zu Hause Schule machen zu müssen, es aber nicht so machen zu können, wie ich es will. Aber als wir uns abends ehrfürchtig ein winziges Stockbrot teilten – aus Körnen, die Olivia mit zwei Steinen gemahlen hatte –, war es mir fast egal, dass die beknackten Arbeitsblätter immer noch leer waren.

Nur wie unser Tag im Garten aussehen soll zum Thema schriftliche Division oder Zeichensetzung bei wörtlicher Rede, das weiß ich leider noch nicht ...

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