Birma: Neun Tote bei Demonstrationen

Die Militärjunta will die Massenproteste mit Verhaftungen, Drohungen und Schüssen brechen. Die Demonstrationen werden kleiner, die Gewalt gegen sie größer.

Friedlicher Widerstand gegen die Polizei - Mönche in Rangun. Bild: dpa

BANGKOK taz "In zehn Minuten seid ihr von der Straße weg!" lautete gestern die harsche Forderung von Birmas Machthabern an die Demonstranten des Landes gegen 15.30 Uhr Ortszeit. Ansonsten würde eine "extreme Aktion" folgen. Kurz darauf berichteten Augenzeugen, es sei auf eine Menschenmenge im Norden Ranguns geschossen worden. Die Demonstranten, die sich trotz massiver Einschüchterungen durch die Junta nach draußen wagten, hatten sich geweigert, die Straßen zu räumen.

Der in Norwegens Hauptstadt Oslo ansässige oppositionelle Rundfunksender Democratic Voice of Burma sprach auf der Grundlage von Augenzeugenberichten von mindestens neun Toten. Andere Quellen erklärten, es habe vier Tote gegeben, darunter auch einen japanischen Fotografen sowie einen zweiten Ausländer unbekannter Nationalität. In einem anderen Stadtteil von Rangun stoben die Menschen beim Aufmarsch der Soldaten vor Schreck auseinander oder wurden mit Wasserwerfern vertrieben.

Im Laufe des Donnerstags wurden aus Rangun weitere bewaffnete Zwischenfälle bei neuen Demonstrationen gemeldet. Momentan würden allerdings kaum noch Mönche auf den Straßen gesichtet, sagen jetzt Beobachter. Viele wurden in den vergangenen Tagen verletzt oder verhaftet, mindestens zwei von ihnen ermordet.

Was Birmas Militärregierung unter einer "Extremaktion" versteht, hatte sie bereits am Mittwoch demonstriert. An der Shwedagon-Pagode, dem Nationalheiligtum Birmas, hatten sich einige hundert Mönche versammelt, die mit Gläubigen sangen und beteten. Doch dann begann die Polizei, mit Schlagstöcken auf die Menge einzuprügeln. Einsatzkräfte und Polizei feuerten Schüsse in eine Menschenmenge, es sollen fünf getötet worden sein. In der Nacht darauf stürmten Soldaten Klöster und nahmen allein in Rangun bis zu 200 Mönche fest, in denen die Junta die Anführer der Protestbewegung vermutet. Auch in anderen Klöstern des Landes, vor allem im Nordosten, hätten Razzien stattgefunden, sagen Augenzeugen. Wie viele Tempel betroffen sind, weiß aber niemand, Nachrichten aus anderen Regionen sind rar. Auch andere prominente Regimekritiker wurden verhaftet, darunter Mitglieder der Oppositionspartei "Nationale Liga für Demokratie" (NLD). Das bestätigten deren Familienangehörige.

Nach Angaben von Exilbirmanen in Thailand sind bis zu 300 Mönche, Nonnen und Demokratieaktivisten in Gewahrsam genommen worden. Über den jetzigen Aufenthaltsort der NLD-Führerin gibt es hingegen unterschiedliche Angaben: Die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi sei von ihrem Wohnsitz, wo sie seit ihrer erneuten Verhaftung 2003 unter Hausarrest steht, ins berüchtigte Insein-Gefängnis gebracht worden, berichtete ein ausländischer Fernsehsender. Andere Quellen widersprachen dieser Darstellung.

Derweil wächst im Ausland die Sorge über die Krise in Birma. In einer am Mittwoch eilig anberaumten Sitzung war vom UN-Sicherheitsrat erwartet worden, dass dieser das jüngste Blutvergießen in Birma eindeutig verurteilt. Doch das Vorhaben scheiterte am Widerstand Chinas. Somit reichte es nur zu einer müde klingenden Ermahnung an die Machthaber in Birma, den Konflikt friedlich beizulegen. Über mögliche Sanktionen gegen die Junta war gar nicht erst beraten worden. "Diese würden ohnehin keinen Sinn machen", hatte Chinas UN-Botschafter Wang Guangya Kritikern entgegengehalten. Doch gestern rief Peking die birmanischen Generäle erstmals öffentlich zur Zurückhaltung auf: Zu groß ist angesichts der sich zuspitzenden Krise die Sorge vor einer möglichen Destabilisierung des Nachbarn.

Indes sicherte das in der Birma-Frage stark gespaltene UN-Gremium dem Sondergesandten Ibrahim Gambari seine "vollständige Unterstützung" zu. Der Nigerianer wollte umgehend nach Südostasien fliegen und dort auf eine Einreisegenehmigung der birmanischen Behörden warten. Im vergangenen Jahr war Gambari zweimal nach Birma gereist und hatte dort auch mit Aung San Suu Kyi zusammen treffen können. Davor hatte die Militärjunta mehrfach Treffen mit UN-Abgesandten verweigert.

Derweil prüft die Europäische Union, die bestehenden Sanktionen gegen das Militärregime noch zu verschärfen. Gegen das verarmte Birma gibt es bereits ein Waffenembargo und ein Investitionsverbot für europäische Unternehmen. Fast 400 birmanische Funktionäre unterliegen Reisebeschränkungen und finanziellen Sanktionen. Auch die neuen Regelungen müssten das Regime treffen und nicht die Bevölkerung, so EU-Diplomaten. Die jetzigen Demonstrationen gegen die Junta sind die größten seit fast 20 Jahren.

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