Birma-Interview: "Sanktionen allein bewirken nichts"
Nyo Ohn Myint, der Sprecher der Oppositionspartei NLD in Birma, fordert politische Lösungen für sein Land - inklusive deutscher Unterstützung.
taz: Juntachef Than Shwe hat der Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ein Gesprächsangebot unterbreitet. Zeigt das ein Einlenken der Junta?
Nyo Ohn Myint: Das ist nur Taktik, es geht nicht um eine wirkliche Versöhnung. Than Shwe hat an das Angebot Bedingungen geknüpft, die nicht zu akzeptieren sind. Zum Beispiel soll sich Aung San Suu Kyi dafür entschuldigen, dass sie Sanktionen unterstützt hat. Damit würde sie eingestehen, dass sie der Grund für die jüngste Konfrontation ist.
Die Junta will also die Opposition für das Blutvergießen der vergangenen Tage verantwortlich machen?
Ja, die Junta will Aung San Suu Kyi für etwas verantwortlich machen, woran die Militärs selbst die Schuld tragen. Die Junta will keinen Dialog, das zeigen die Bedingungen, die sie an das Angebot knüpft. Deswegen ist dieses Gesprächsangebot inakzeptabel.
Was sollte die internationale Gemeinschaft angesichts der Lage in Birma tun?
Es muss dringend eine politische Lösung her, Sanktionen allein bewirken nichts. Wir zählen dabei auch auf die Unterstützung der deutschen Regierung, einen Beitrag zur nationalen Versöhnung in Birma zu leisten. Unter anderem, weil Deutschland als ein Land gilt, das enge Kontakte zu China unterhält. Insgesamt muss man einen multilateralen Ansatz wählen. Man muss die Konfrontationen beenden und darüber hinaus China und den Verband der Südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean zusammenbringen. In diesem Prozess müsste China eine Schlüsselrolle übernehmen.
Die Angaben aus Birma über Tote, Verletzte und Verhaftete sind äußerst widersprüchlich. Welche Informationen haben Sie über die Situation?
Nach den Daten, die die NLD gesammelt hat, sind Dutzende Menschen getötet worden. Mehr als 200 unserer Mitglieder und mehr als hundert Studentenführer sind festgenommen worden. Insgesamt wurden wohl mehr als 5.000 Menschen verhaftet. Die wahren Zahlen werden wir wohl nie erfahren. Auch mein Bruder ist vor neun Tagen in Rangun zu den Protesten gegangen. Zu unserer Mutter sagte er, er müsse einfach wissen, was los ist. Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört. Wir können nur für ihn beten.
INTERVIEW: NICOLA GLASS
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