Biografie der Nobelpreisträgerinnen: Die durch die Hölle gingen
Marc Engelhardt zeichnet in seiner Biografie den langjährigen Kampf für Frieden und Frauenrechte nach - anhand der drei diesjährigen Friedensnobelpreisträgerinnen.
Schneller hätte das Buch "Starke Frauen für den Frieden" nicht geschrieben werden können. Der letzte Eintrag von Marc Engelhardt, der lange Jahre für die taz und andere Medien aus Afrika berichtete, stammt vom 8. November. Erschienen ist es kurz vor Übergabe des Friedensnobelpreises an Ellen Johnson Sirleaf, Leyman Gbowee und Tawakkul Karman in Oslo.
Trotzdem ist es kein Schnellschuss, sondern eine geschickte Verknüpfung dreier Biografien mit der konfliktreichen Geschichte ihrer Herkunftsländer Liberia und Jemen.
Die Journalistin Tawakkul Karman, Anführerin des Arabischen Frühlings in Jemen, ist die erste arabische Frau, die den Nobelpreis bekam, und dazu mit 32 Jahren die jüngste. Engelhardt schildert, wie sie in Sanaa studiert, früh heiratet, drei Kinder bekommt, für eine Tageszeitung schreibt und die Zensur kennenlernt.
Marc Engelhardt, "Starke Frauen für den Frieden". Herder Verlag 2011, 160 Seiten, 9,99 Euro.
Eine Geschichte über alltägliche Unterdrückung, die Vertreibung von Dorfbewohnern durch einen Scheich, macht sie zur Kämpferin für Pressefreiheit. 2005 gründet sie mit 7 Mitstreiterinnen "Journalistinnen ohne Grenzen" und einen SMS-Dienst zu Menschenrechten.
Seit Anfang 2011 fordert sie den Rücktritt des verhassten Präsidenten Saleh. Sie wird verhaftet, was sie zur Ikone der jemenitischen Protestbewegung macht, und wieder freigelassen und organisiert monatelang Proteste, die Saleh zur Ankündigung seines Rückzugs Anfang 2012 zwingen.
Im Oktober, als die Nachricht aus Oslo die Zeltstadt der Protestierer in Sanaa erreicht, feiert die Menge ausgelassen "die Mutter der Revolution". Dass eine Jemenitin diesen Preis bekommt, wird wohl die gesamte arabische Welt nachhaltig verändern - Jemen belegt den letzten Platz im weltweiten Ranking der Umsetzung von Frauenrechten.
Aufruf zum Sexstreik
Mindestens ebenso dramatisch verläuft das Leben der 39-jährigen Leymah Gbowee, die in Liberias Bürgerkrieg von 1989 bis 2003 Massaker und Vergewaltigungen erlebte. Die Christin und sechsfache Mutter engagiert sich als Streetworkerin für traumatisierte Frauen. Schade nur, dass Engelhardt die Muslimin Asatu Bah Kennth nicht erwähnt, mit der zusammen Gbowee die Liberia Mass Action for Peace gründet.
Es gelingt ihnen, Tausende von Frauen beider Religionen zu mobilisieren. Monatelang demonstrieren sie, alle in Weiß gekleidet, vor dem Präsidentenpalast für Friedensverhandlungen und rufen sogar einen Sexstreik aus. Als 2003 tatsächlich Verhandlungen in Akkra beginnen, blockieren sie die Ausgänge des Gebäudes und drohen, die Verhandlungsführer nicht mehr hinauszulassen, bis ein Abkommen erreicht ist. Das ist das Ende des Krieges.
"Wir sind starke Frauen, die durch die Hölle gehen und trotzdem aufrecht auf eigenen Füßen stehen", schreibt Gbowee in ihrer Autobiografie.
Engelhardt zeichnet nach, dass ohne die Friedensfrauen auch der Wahlsieg von Ellen Johnson Sirleaf von 2005 nicht möglich gewesen wäre. Die erste Präsidentin Afrikas, heute 73 Jahre alt, fördert wie keine zweite die Frauenrechte.
Liberia ist das Land, das die Forderung der UN-Sicherheitsratsresolution 1325 nach Beteiligung der Frauen an Friedens- und Wiederaufbauprozessen am konsequentesten umsetzt. "Die Zukunft gehört - hoffentlich - den Frauen", schreibt der Autor im letzten Kapitel.
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