Bio-Bauer über Öko-Landwirtschaft: „Gesünder ist Bio trotzdem“
Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf, der vor 30 Jahren seine Landwirtschaft auf Öko umgestellt hat, über Bio-Labels, Rote Bete und Kinderarbeit.
taz: Eine neue Studie hat festgestellt, dass Biolebensmittel nur wenig gesünder sind als konventionelle. Warum sollen Verbraucher dann zu Bioprodukten greifen?
Graefe zu Baringdorf: Seit 50 Jahren bin ich Bauer, und vor 30 Jahren habe ich auf Bio umgestellt. Ein wichtiger Grund war, meinen Hof der Industrialisierung in der Landwirtschaft zu entziehen und die bäuerliche Landwirtschaft fortzuführen.
Viele Verbraucher wollen gesündere Lebensmittel, sie versprechen sich von Bio Vorteile.
Der biologische Landbau ist mehr als Gesundheit, wir produzieren keine Medizin. Aber wir verwenden keine Chemie und keine Gentechnik, das ist gesetzlich vorgeschrieben. Das ist ein riesiger Vorteil für die Umwelt. Wenn Leute nur zu Bioprodukten greifen, weil sie 90 statt 70 Jahre alt werden wollen, dann ist das für mich als Erzeuger nicht der erste Grund, auf Bio umzustellen. Gesünder ist Bio trotzdem.
Warum?
Wir verwenden keine Pflanzengifte. Die reichern sich ja nicht nur in der Nahrung an, sondern auch in den Böden und Gewässern. Aber es geht nicht nur um die Gesundheit: Vielen Verbrauchern sind zum Beispiel die Regionalität wichtig oder die Arbeitsbedingungen der Produzenten. Eine Banane wird nicht gesünder, wenn sie nicht durch Kinderarbeit auf den Markt gebracht wurde – aber der Verbraucher kann sie mit einem guten Gewissen essen.
69, ist Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). 1984 bis 1987 und 1989 bis 2009 gehörte er für die Grünen dem Europaparlament an. Er betreibt einen Hof in Ostwestfalen. Die AbL ist eine bäuerliche Interessenvertretung, die für eine nachhaltige Agrarwirtschaft im Sinne einer sozial- und umweltverträglichen Landwirtschaft eintritt.
Welche Vorteile sehen Sie noch?
Die Biolandwirtschaft ist eine solare. Der Stickstoff, den unsere Pflanzen benötigen, kommt unter anderem durch den Anbau von Leguminosen in den Boden. Dadurch wird der Einsatz von Dünger auf Erdölbasis vermieden. Die Verbraucher tragen mit ihrer Kaufentscheidung dazu bei, welche Art von Landwirtschaft wir haben: die industrielle oder die biologisch-bäuerliche. Dass die Verbraucher Macht haben, zeigt zum Beispiel die Gentechnik. In Europa hätte sich die Gentechnik in der Landwirtschaft längst durchgesetzt, wenn die Verbraucher nicht so vehement dagegen wären.
Manche Biobetriebe geraten in die Kritik, weil sie immer größer werden und damit den konventionellen folgen. Ist die Kritik berechtigt?
Fraglich ist, ob der Anbau von 50 Hektar Rote Beete in einer Parzelle ökologisch ist und Massentierhaltung artgerecht. Die Größe der Betriebe allein ist aber kein Kriterium. Wenn die Bauern die Bedingungen der Bioverordnung erfüllen, ist das in Ordnung.
In manchen Betrieben kommt es zu Unregelmäßigkeiten, da werden konventionelle Produkte als bio vermarktet.
Solche Missstände gibt es, aber dann ist kriminelle Energie im Spiel. Das ist ein Fall für den Staatsanwalt. Kriminelle Machenschaften gibt es in allen Branchen. Wichtig ist: Biobetriebe, die schummeln, verlieren ihre Biolizenz und damit ihre Geschäftsgrundlage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Proteste in Georgien
Wir brauchen keine Ratschläge aus dem Westen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben