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"Billigung von Straftaten"Geldstrafe für RAF-Terroristin Inge Viett

Die frühere RAF-Terroristin Inge Viett wurde zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt. Die 67-Jährige hatte Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge für legitim erklärt.

Hatte auf einer Podiumsdiskussion im Hinblick auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan Sabotageakte für legitim erklärt: Inge Viett. Bild: dapd

BERLIN dpa | Nach Sympathiekundgebungen für Brandanschläge auf Bundeswehrfahrzeuge muss die frühere RAF-Terroristin Inge Viett 1.200 Euro Geldstrafe zahlen. Ein Berliner Amtsgericht verurteilte die 67-jährige Rentnerin am Mittwoch wegen Billigung von Straftaten. Der Anwalt von Viett hatte Freispruch verlangt. "Das Gutheißen gewalttätiger Angriffe auf Bundeswehrfahrzeuge ist nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt", urteilte das Gericht. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Monate Haft ohne Bewährung wegen Vietts Vorstrafen beantragt.

Für den Prozess im Sicherheitstrakt hatte das Gericht scharfe Kontrollen verfügt. Zu einer Solidaritätskundgebung unter dem Motto "Meinungs- und Pressefreiheit verteidigen" hatten sich zwei Dutzend Demonstranten vor dem Gerichtsgebäude versammelt; darunter waren nach Angaben des "Solidaritätskreises" auch Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke.

Die gelernte Kindergärtnerin kam vor Gericht, nachdem sie am 8. Januar 2011 auf einer Podiumsdiskussion im Hinblick auf den Bundeswehreinsatz in Afghanistan Sabotageakte für legitim erklärt hatte. Viett habe sich damit moralisch hinter die Täter der Anschläge gestellt; die Sympathie sei geeignet, die Bereitschaft für künftige Taten zu wecken, argumentierte das Gericht. Die Äußerungen könnten zu einer schweren Beunruhigung in der Bevölkerung führen und den öffentlichen Frieden stören.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist eine Haftstrafe ohne Bewährung unerlässlich. Wegen der Vorstrafen sei die Sozialprognose nicht günstig. 1992 wurde Viett wegen versuchten Mordes an einem französischen Polizisten zu 13 Jahren Haft verurteilt und nach Verbüßung der halben Strafe entlassen. Im Oktober 2009 wurde sie wegen Widerstandes gegen Polizisten zu 225 Euro Geldstrafe verurteilt. Hintergrund war ein Protest gegen das Bundeswehrgelöbnis vor dem Berliner Reichstag.

In den 70er Jahren hatte sich Viett zunächst der "Bewegung 2. Juni" angeschlossen, die 1975 den damaligen Berliner CDU-Chef Peter Lorenz entführt hatte. Zwei Jahre nach ihrem Wechsel zu RAF hatte sich Viett in die DDR abgesetzt. Im Frühjahr 1990 wurde sie enttarnt und in die Bundesrepublik überstellt.

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10 Kommentare

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  • H
    Hasso

    Wer sich der Meinungsmache des Systems nicht anschließt wird bestraft! Demnächst wird das Kabarett noch verboten. Man kann das ganze Spielchen auch übertreiben. Spricht ein Westerwelle über Sozialschmarotzer oder wie damals ein Kohl, der Demonstranten als Pöbel bezeichnete, da kräht kein Hahn nach. Es kommt hier immer drauf an, wer was sagt.Außerdem, ein fremdes Land zu besetzen ist ein Angriffs-Krieg und laut Verfassung nicht legitim. Wer sagt denn da was gegen? Die Äußerung Strucks, das Deutschland am Hindukusch verteidigt werde ist schon ein Bußgeld wert. Solch ein Schmarren! Milliarden für einen sinnlosen Krieg zu verpulvern, ist doch bedeutender, als so ein Fauxpas der Viett. Justiz und Gerechtigkeit zwei verschiedene Begriffe?

  • AR
    Andreas Reuter

    Auch über den Satz "soldaten sind Mörder" haben hierzulande schon Gerichte entschieden. Dass da auch häufig erst höhere Instanzen mit einem Urteil ausgewogen und für demokratische Meinungsfreiheit entscheiden, dürfte allgemein bekannt sein.

     

    Gerade heute efuhr man übrigens auch im Deutschlandfunk, dass man hier in Deutschland dieses Jahr einen Rekordumsatz an Waffenverkäufen gemacht hat und obendrein in diesem Jahr Verträge über 5.000.000.000 € abgeschlossen hat. Eigentlich müsste doch dann jegliche Aufforderung "eben dieses Material wieder zu zerstören" doch bei unseren Machthabern eher freudig aufgenommen werden.

     

    Die Richter welche diese Strafe von 1200 € über eine Rentnerin verhängen, welche sicherlich nicht im Geld schwimmt, sollten jedenfalls nicht all zu stolz auf sich sein.

    Bei der Staatsanwaltschaft mit ihrer absurden Forderung nach einem Freiheitsentzug für solch eine Meinungsäußerung liegt dann schon fast der Verdacht nahe, vielleicht irgendwelche persönlichen Vergeltungs- oder Rachefeldzüge gegen Frau Viett zu unternehmen.

  • Z
    zalog

    @Arne

     

    Nicht nur dass ihr Vergleich völliger Mumpitz ist. Sie haben es offensichtlich auch nicht mit dem Lesen. In den vorherigen Äußerungen, auf die ich Bezug nahm, war von den 20000€ für sein Plagiat die Rede.

  • A
    Arne

    Stimmt, @zalog!

     

    So viele Familienväter und andere Menschen, wie in Afghanistan unter Guttemnergs Zeit als Verteidigungsminister getötet und zum Krüppel gemacht wurden, dürften kaum irgendeinem RAF-Mitglied zum Opfer gefallen sein.

  • Z
    zalog

    Was hat denn Karl-Theodor zu Guttenberg mit Inge Viett zu tun? Der eine ist ein Plagiator und die andere eine unbelehrbare Terroristin, die einen Famlienvater für nichts zum Krüppel geschossen hat. Man muss schon tief in seiner schwarz-weißen Denke gefangen sein, um hier eine Vergleichbarkeit zu sehen.

  • S
    sigibold

    Soll die alte Dame doch nachdenken bevor sie die Klappe aufreißt. Und warum macht die taz so einen Artikel für 1200 Euro? Klingt ja fast als sympathisiere sie....

     

     

    sigibold

  • WR
    Weiße Rose

    Während Neonazis 13 Jahre mordend quer durch das schöne Deutschland ziehen dürfen, braucht eine Altlinke nur einmal niesen und schon hat sie die Justiz auf den Fersen.

    Wenn bald Karl- Theodor zu Guttenberg mit neuem Doktortitel in unser geliebtes Deutschland als alter, neuer Hoffnungsträger zurückkehrt, haben wir endlich das, was wir alle verdienen!

  • A
    Arne

    Wahnsinn!

    1200 € für eine Meinungsäußerung und ein Milliardär wie Guttenberg zahlt 20000 € dafür, dass man sich nicht mal festlegt, ob er eine Straftat begangen hat.

    Naja, da bei Guttenberg ja durch diese Zahlung seine Unschuld auch nicht festgestellt wurde, müsste man jetzt mal überprüfen, wer alles hier bei der Billigung einer Straftat die "öffentliche Ordnung" gefährdet hat.

    Angefangen bei der Bild mit Wagner über Merkel, die dies ignoriert bis hin natürlich zu Seehofer und seine Mannen.

    Evtl. haben ja einige Guttenberg-Kritiker Zeit dafür, dies mal die Staatsanwaltschaften prüfen zu lassen.

  • S
    Stefan

    Unglaublich und unübertroffen: TAZ!

    "Die gelernte Kindergärtnerin kam vor Gericht [...]"

    Erinnert mich ein wenig an Berichte, in denen getötete Terroristen als Familienväter, Politiker oder geistige Führer bezeichnet wurden. Der Kinderarzt als Bezeichnung für einen Terroristenführer ist auch nicht neu. Gleiches Recht für alle: In Zukunft bitte immer eine nette Bezeichnung für alle Menschenverächter parat haben. Der Vegetarier und Tierfreund A.H., der Kommandant von Auschwitz und Musikliebhaber H., der Polit-Philosoph Mao, ...

  • HA
    Herr ABC

    Neunzig Tage Knast sollen also nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Einsicht bringen, dass politische Gewalt doof ist? Und das bei jemandem, der bereits über 2370 Tage wegen ähnlicher Vergehen im Gefängnis saß?

     

    Aber 1200 Euro sind natürlich ein Pappenstiel im Vergleich zu den 20.000 Euro die KT abdrücken durfte, um eine Vorstrafe wegen Betrugs zu umgehen.

     

    Hauptsache: Was recht(s) ist, muss recht(s) bleiben!