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Bildungspolitik: Doof bleibt doof

■ ZEB: Bildungsbehörde schummelt bei der Berechnung des LehrerInnenbedarfs

“Zuviel Bildung ist auch nicht gut!“ und „Ich habe schon genug Bildung!“ Mit diesen Worten verweigerten gestern Bürgerschafsabgeordnete die Annahme eines Flugblattes des Zentralelternbeirates (ZEB) vor der Bürgerschaft. Fünf Eltern des ZEB wollten die Politiker mit dieser Aktion auf den immer noch akuten LehreInnenmangel aufmerksam machen.

Das Flugblatt: „Senator Scherf hat uns immer auf das Sommerpaket vertröstet, aber was wird darin bleiben, wenn der Finanzsenator...?“ Die Schulklassen seien zu groß, um veränderte Unterrichtsbedingungen aufzufangen. Sind doch in einigen Klassen zwischen 40 und 50 Prozent nicht- deutschsprachige SchülerInnen. Der ZEB fordert, sie bei der Belegung der Klassen doppelt zu zählen, damit sie und „schwache“ SchülerInnen hinreichend gefördert werden können.

Ein anderes Problem ist die „Überalterung“ der LehrerInnen. Marianne Isenberg, Sprecherin des ZEB: „Die kommen mit den SchülerInnen gar nicht mehr klar und verhängen übertriebene Sanktionen für normalen Schülerprotest.“ Dabei schaukeln sich unnötig die Aggressionen hoch. Daran könnten regelmäßige Fortbildung und andere Unterrichtsformen etwas ändern.

Besonders die Schulen in den benachteiligten Stadtteilen, wo „Problemkinder“ sich häufen, leiden unter der LehrerInnenknappheit. „Was im Primarbereich an Förderung nicht geleistet wird, das kann in der 10. Klasse auch nicht mehr nachgeholt werden“, so die ZEB-Sprecherin, und weiter: „Wo bleibt da der sozialdemokratische Bildungsanspruch, daß die Benachteiligten besonders gefördert werden sollen?“

Zu Beginn des letzten Schuljahres hatte der Bildungssenator 165 LehrerInnen eingestellt. Nach Abzug der Pensionierungen und der Arbeitszeitverkürzung bleiben gerade 50 davon übrig. Die werden wahrscheinlich durch eine neue Berechnung der Krankheitsreserve von 5 Prozent aufgesogen: Denn neuerdings zählen dabei Schwangerschaftsurlaube und längere Krankheitszeiten nicht mehr mit. Und wer soll die HauptschülerInnen in den neu eingerichteten 10. Pflicht-Hauptschulklassen unterrichten?

Laut ZEB ist diese Misere schuld daran, daß in Bremen jede 20. Schülerin keinen Schulabschluß hat. Wer nicht rechtzeitig motiviert und gefördert wird, droht später ins soziale Abseits zu geraten. Gar nicht zu reden von besonderen Neigungen, die nicht gefördert werden, weil in der Orientierungsstufe einfach Fachunterricht ausfällt. Da ist beispielsweise in der zehnten Klasse die fünf in Physik schon fast vorprogrammiert.

Werner Alfke, Sprecher von Henning Scherf, will gar nicht verstehen, was die Eltern wollen. „Was wir wollten, haben wir erreicht: den Standard zu halten“, sagt er auf Nachfrage, und: „Es gibt jetzt keinen Handlungsbedarf.“ Es seien neue LehrerInnen eingestellt worden und die SchülerInnenzahlen seien zurückgegangen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern habe Bremen das beste Benachteiligtenprogramm. „Man kann natürlich immer noch mehr fordern, aber das wäre dann ja das Paradies.“ Auf die Frage, warum die Krankheitsreserve jetzt anders berechnet werde, sagte Alfke: „Wir haben nicht mehr den Lehrerüberhang“ und: „Die Schülerzahlen sind ja wieder gestiegen“.

Was im Sommerpaket des Bildungssenators eigentlich drin ist, das Geheimnis will Alfke nicht lüften, verrät dann aber doch, daß im Sommerpaket „einige“ Neueinstellungen und „Innovationen“ in den Bereichen Benachteiligtenprogramm und bilingualer Unterricht enthalten sind. Bis zu den Haushaltsberatungen im Dezember wird sich herausstellen, ob auch der Finanzsenator für die Bildung zu begeistern ist. Davon hängt es ab, ob das Sommerpaket schließlich noch ein Weihnachtsgeschenk wird. Beate Ramm

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