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Bildungspatenschaften für ZuwandererkinderSelbstbewusstsein stärken

Wenn die Eltern überfordert sind, können Bildungspatenschaften Kindern und Jugendlichen beim Lernen helfen - in Deutschland sind es 15.000.

Patenschaften sollen aus der Bildungsklemme helfen. Bild: dpa

Als Josef Singer die Schulklasse betritt, stürmen sofort ein paar junge Mädchen auf ihn zu. "Seid ihr fit für die Forschung?", fragt er in die Runde, und die Mädels strahlen.

Josef Singer ist Chemiker im Ruhestand. In seiner Freizeit begeistert er die türkischen Schülerinnen einer Kölner Grundschule mit spannenden Experimenten, denn er glaubt fest daran, dass "seine" Mädchen eine Begabung für Chemie haben. Sein Engagement kommt nicht nur bei den Schülerinnen an, sondern auch bei der Bundesregierung: Die wirbt unter anderem mit Singer und seiner "Forscher-AG" in einem kleinen Film für Bildungspatenschaften. Wobei die soviel Werbung gar nicht nötig haben - neben Josef Singer gibt es über 5.000 weitere Paten und Patinnen in Deutschland, die über 15.000 Kinder und Jugendliche begleiten. Das ergab jetzt eine erste Bestandsaufnahme, die am Donnerstag von der Migrationsbeauftragten des Bundes, Maria Böhmer (CDU), vorgestellt wurde.

Im Fokus der Untersuchung standen die Projekte, in denen sich Bürger für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien engagieren - denn die haben mit dem deutschen Bildungssystem am meisten zu kämpfen. Zu den Sprachproblemen komme oft noch, dass die Eltern damit überfordert sind, ihren Kindern bei Schule und Ausbildung zu helfen zu helfen, so die Migrationsbeauftragte Böhmer: "Damit stecken die Jugendlichen in der Klemme".

Überforderte Eltern kennt auch Irene Schranz. Die 69-jährige Rentnerin arbeitet in einem Berufswahlpaten-Projekt des Seniorenbüros "Die Brücke" in Bad Ems und kümmert sich im Moment um Nadine, eine 8.-Klässlerin, die von einem Job als Reiseverkehrskauffrau träumt. "Ein Glücksfall", nennt Irene Schranz das Mädchen, mit dem sie sich mindestens einmal im Monat trifft. Irene Schranz schaut mit Nadine nach Stellenanzeigen im Internet, hilft ihr beim Bewerbungen schreiben. Zusammen haben sie zwei Praktikumsplätze für Nadine ergattern können - Schranz hat die Schülerin zu beiden Bewerbungsgesprächen begleitet. "Selbstbewusstsein stärken", nennt die Berufspatin als ihre wichtigste Aufgabe, und sie möchte ihre Erfahrung an Nadine weitergeben: "Aus dem Berufsleben kann man natürlich auch viele Kontakte mit einbringen", so die Rentnerin.

Um Kontakte geht es auch der Migrationsbeauftragten Böhmer. Mit der "Aktion zusammen wachsen - Bildungspatenschaften stärken, Integration fördern" sollen die bestehenden Patenschaften für Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien bundesweit besser vernetzt werden. Bei der Entwicklung des vorgestellten "Patenatlas" sei klar geworden, dass viele der rund 170 Projekte in Deutschland gar nichts voneinander wüssten, so Böhmer: "Das war eine richtige Entdeckungsreise". Dabei komme es sehr auf die Zusammenarbeit der Projekte untereinander an, genauso wie auf eine gute Einbindung in Kitas und Schulen.

Die Erfahrung hat auch Uschi Rustler von der "Brücke" in Bad Ems gemacht, die Ansprechpartnerin für das Berufspaten-Projekt. Erst stieß das Projekt auf wenig Interesse, obwohl man es viel beworben habe. "Vielleicht war da auch die Vorstellung dabei, mit Jugendlichen arbeiten zu müssen, die eigentlich eine Null-Bock Einstellung haben", sagt Rustler. Dann hat Rustler das Projekt einer Schule vorgestellt, der Schulleiter zeigte sich begeistert, und mittlerweile arbeiten die Paten direkt an den zwei Schulen in der Nähe.

Auch wenn es an bürgerlichem Engagement nicht mangelt, die Migrationsbeauftragte vermisst eine besondere Patenschafts-Art: Es gibt bisher nur ein Projekt in Deutschland, in dem Unternehmer mit Migrationshintergrund einen Paten zur Seite gestellt bekommen, zum Beispiel um ihnen auf dem Weg durch den deutschen Bürokratiedschungel zu helfen.

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