Bildungsdissens: Bremerhaven segelt anders
Streng vertraulich wird dieser Tage in Bremerhaven über Schulpolitik verhandelt. Das einzige Gymnasium soll aufgelöst werden. "Nicht mit uns" sagt die CDU
Gilt die von Schulsenatorin Renate Jürgens-Pieper vertretene Schulpolitik auch in Bremerhaven? Diese Frage beschäftigte diese Woche das Landesparlament. Im Lande Bremen soll es "zwei Arten" von Schulen geben, steht im Schulgesetz, Gymnasien und Oberschulen. Aus dem bisher vertraulichen Schulentwicklungsplan für Bremerhaven geht jedoch hervor, dass das einzige Bremerhavener Gymnasium, das erst 2003 gegründete Lloyd-Gymnasium, so nicht fortexistieren soll. Und auch Oberschulen wollen die Bremerhavener anders definieren, als die Schulsenatorin.
"Solange wir in Bremerhaven etwas zu sagen haben, wird das Lloyd-Gymnasium nicht angetastet", versichert der bildungspolitische Sprecher der CDU, Claas Rohmeyer. "Das stimmt", kontert Bremerhavens Schulstadtrat Rainer Paulenz (SPD), "unsere Koalitionsvereinbarung gilt bis 2011, bis dahin wird es das in der jetzigen Form geben".
Und dann? Der derzeit verhandelte "Schulentwicklungsplan" soll aber "über 2011 hinaus" reichen, und das Ziel ist für den Bremerhavener Schuldezernenten klar: "In zehn Jahren wollen wir zu einer gemeinsamen Schule kommen." Entscheidend sei die Entwicklung des Unterrichts, Lehrer müssten lernen, mit Heterogenität anders umzugehen. Kurz: "Wenn wir in Richtung einer qualitativ hochwertigen gemeinsamen Schule kommen wollen, müssen sich die Schulen auf den Weg machen." Bisherige Gymnasien müssten auch Hauptschüler zu einem berufsbefähigenden Abschluss führen.
Zunächst aber sollen die großen Schulzentren Bremerhavens, die Paulenz "Kombinate" nennt, durchaus weiterhin für den 5. Jahrgang besondere Klassen für die SchülerInnen anbieten, denen ihre Eltern zutrauen, das Abi in acht Jahren zu machen. Und Oberschulen sollen in Klasse 10 enden. In Bremen gilt ein anderes Konzept: Da sollen Oberschulen in den Klassenstufen fünf und sechs - wie die alte Orientierungsstufe - keine Leistungsdifferenzierung haben. Und sie sollen auch zum Abitur führen.
Am Lloyd-Gymnasium ist man verwundert und verärgert. Lehrerkollegium und Elternvertreter sind nie gefragt worden. In internen Papieren der Schulbehörde fand sich die Schule plötzlich in der Rubrik Oberschule wieder. Auf die Frage des Schuldezernenten: "Welche Entwicklungschancen sehen Sie für Ihre Schule?", antwortete die Schulleitung daher bitterböse und erinnerte den Schuldezernenten an seine Worte: "Alle an Schule Beteiligten müssen mit auf den Weg genommen werden."
Zum Lloyd-Gymnasium gehen rund 1.700 SchülerInnen, jedes Jahr könnten vier weitere Klassen eingerichtet werden, so groß ist die Nachfrage. "Gut angewählte Schulen soll man nicht schließen", formulierte Bremens Bildungssenatorin. So vorsichtig muss eine Ministerin sein, die Bremerhaven regieren will.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!