Bildung: Kein Bock zu labern
Mit einer Demo starten tausend SchülerInnen eine Protestwoche. Ein Gespräch mit Senatorin Jürgens-Pieper lehnen sie ab. Sie wollen mehr als ein paar Verbesserungen.
Mehr Lehrerstellen, bessere Ausstattung der Schulen, beheizte Klassen? Nein, realpolitische Forderungen standen beim diesjährigen Schulstreik nicht auf der Agenda. 1.000 SchülerInnen der Sekundarstufen I und II protestierten am Mittwoch, wie in vielen anderen deutschen Städte, für mehr als ein paar Verbesserungen: „Eine Schule, die ohne Noten und Zwänge auskommt“ wollten sie, „eine Schule zur freien Wissensentfaltung“. Auch bei ihrer Demo-Route wählten sie ungewohnte Wege und schlugen vom Hauptbahnhof zum Marktplatz einen Umweg über die Hochstraße ein. Vorher freilich, da blieb es beim Alten, zogen sie zum Sitz von Bildungssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) am Breitenweg.
Aufhalten lassen wollten sie sich von ihr aber nicht. Die Senatorin hatte den SchülerInnen ein Gespräch angeboten – wenn sie schon mal da sind – doch die lehnten ab. Dabei hätte es durchaus brisante Themen gegeben, die am Runden Tisch in der Behörde hätten diskutiert werden können.
Streit etwa gibt es zwischen Bildungs- und Finanzressort über die Finanzierung von weiteren Lehrerstellen: 92 Pauker gehen im Februar in Pension und die Stellen sollen direkt wieder besetzt werden, so Karl Götz, Sprecherin der Bildungssenatorin. Über die Finanzierung jedoch wurde sich der Koalitionsausschuss, die Spitzenrunde aus Politikern von SPD und Grünen, nicht einig, am 25. November steht das Thema wieder an. Auch bei den Heizkosten wollte der Senat der Bildungssenatorin nicht aushelfen. Es fehlen 1,5 Millionen Euro – laut Radio Bremen, weil im Bildungsressort die Preissteigerungen bei den Heizkosten nicht einberechnet worden seinen. Stimmt nicht, sagt Sprecherin Götz, bereits im September 2011 sei darauf hingewiesen worden. Das Geld aber fehlt trotzdem, es soll nun erst einmal innerhalb der drei Ressorts von Senatorin Jürgens-Pieper umgeschichtet werden. Kalte Klassen werde es also nicht geben, so Götz. Dennoch, die SchülerInnen hätten die Senatorin mit der Frage grillen können. Aber nein.
„Es war jedes Jahr dasselbe, immer haben wir von ihr gehört, dass ihr die Hände gebunden seien“, sagt Paul Kreiner, vom Vorstand der Gesamt-SchülerInnen-Vertretung. Kreiner und die anderen, sie wollen nicht mehr nur konstruktive Vorschläge machen müssen, um gehört zu werden. „Wir wollen eine Schule, die Wissen und Bildung vermittelt, die uns lehrt kritisch zu sein, statt hörig“, sagt Kreiner. Und: „Wenn der Senatorin schon bei den Stundenkürzungen die Hände gebunden sind, wie soll sie uns dann dabei helfen?“ Der Prostest wird sich dieses Jahr nicht mehr so sehr an Senatorin Jürgens-Pieper abarbeiten, sagt Kreiner. Man habe sich „radikalisiert“.
Wohl auch deshalb sind es diesmal weniger TeilnehmerInnen – mancher Schulleitung seien die Forderungen zu weit gegangen, sagt Kreiner. Im Gymnasium Hamburger Straße etwa sei die Vollversammlung untersagt worden, von der die SchülerInnen ihren Protest starten. Von der Gesamtschule Mitte wurden die Klassen-GenossInnen aus dem Unterricht abgeholt.
Die ganze nächste Woche über planen die SchülerInnen Aktionen und Diskussionen: etwa darüber, wie eigentlich genau eine Alternative aussehen könnte. Ihre Ergebnisse könnten sie auch der Senatorin vortragen, denn die, so sagt ihre Sprecherin, bleibe gesprächsbereit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen