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Bilder eines BerufsÜber die Arbeit am Ich des anderen

Persönlichkeitstrainer haben Hochkonjunktur. Doch wie wird man so etwas?

von Karin Hahn

„Tsjakkaa!“ ruft Emile Ratelband in den Raum. Echogleich brüllt es umgehend aus einigen hundert Kehlen zurück: „Tsjakkaa!“ Der niederländische Motivationstrainer, bekannt aus Fernsehberichten und Talkshows, füllt problemlos die Hallen. Mit kollektivem Schlachtgeschrei und der Präsentation einer lebendigen Riesenschlange möchte er seinen Seminarteilnehmern zu mehr Selbstbewusstsein und Erfolg verhelfen. Ratelband gilt als einer der Großverdiener in der Personaltrainerszene.

Rund zehn Millionen Mark geben die Bundesbürger jährlich für Motivationskurse, Persönlichkeitsberatung und Karriereseminare aus. Ob Einzelbehandlung, Gruppenveranstaltungen oder Literatur – der Markt boomt, denn die Arbeit am „Ich“ wird immer mehr zum Dreh- und Angelpunkt auf der persönlichen Karriereleiter. Kein Wunder, dass auch die Zahl der Trainer jährlich um etwa zehn Prozent zunimmt. Angesichts der explosionsartigen Vermehrung der Seminarangebote wird die Unterscheidung zwischen ernsthafter Weiterbildung und Scharlatanerie immer schwieriger. Einen klar definierten Ausbildungsweg und einen geschützten Titel gibt es nicht.

Das gesteht auch Joachim Selter, Mitglied der Trainergemeinschaft Berlin, freimütig zu. Seit 1992 bietet die fünfköpfige Psychologengruppe ein Seminar zur Trainerausbildung an. Was ursprünglich als Weiterbildung für Arbeitslose oder von Arbeitslosigkeit bedrohte Psychologen begann und vom Arbeitsamt gefördert wurde, ist nun, so die Veranstalter, ein in Fachkreisen weiterempfohlenes Seminar.

In 184 Seminarstunden in 13 Monaten bekommen die Teilnehmer das methodische Know-How und die Basiskompetenzen für eine Trainertätigkeit vermittelt. Auf dem Stundenplan stehen Rollenspielseminare, Kommunikations-, Methoden- und Gruppendynamik-Workshops, die Entwicklung von Trainingsprogrammen und ein Akquiseseminar für die erfolgreiche Vermarktung des Gelernten. „Das Konzept ist handlungsorientiert“, betont Selter, „deshalb hat die Gruppe auch maximal 14 Teilnehmer. So kann sich eine Gruppendynamik entwickeln und die Teilnehmer können sich selbst ausprobieren.“ Zwischen den Seminaren, die an den Wochenenden stattfinden, tagen die Teilnehmer in einzelnen Arbeitsgruppen und absolvieren eine Supervision, eine Hospitation und ein Co-Training.

Etwa 80 Teilnehmer haben bisher eine Trainerausbildung absolviert. Etwa 60 Prozent waren Psychologen, jeweils 15 Pädagogen oder Wirtschaftswissenschaftler, die übrigen Techniker, Ärzte oder Polizisten. „Etwa 40 Prozent von unseren Absolventen sind hinterher freie Trainer geworden“, erzählt Joachim Selter, „weitere 40 Prozent haben sich beruflich verändert. 20 Prozent sind im gleichen Arbeitsfeld geblieben.“ Das seriöse Anliegen der Anbieter wird auch dadurch sichtbar, dass den Teilnehmern eine dreimonatige Kündigungsfrist eingeräumt wird.

Trainergemeinschaft Berlin, Dr. Joachim Selter, Tel.: 4225 6852, Teilnehmerkosten: 4.890 DM plus 100 DM für das Abschlusskolloquium.

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