Bilanz NSU-Affäre: Sächsische Schlapphüte fein raus
Eine Expertenkommission hat die Versäumnisse des sächsischen Verfassungsschutzes untersucht. Sie empfiehlt kosmetische Veränderungen.
DRESDEN taz | In Sachsens Landesamt für Verfassungsschutz (VS) kann trotz Versäumnissen im Zusammenhang mit den NSU-Morden das meiste so bleiben, wie es ist. So lauten die Empfehlungen einer dreiköpfigen Expertenkommission, die am Mittwoch bekannt wurden.
Die Kommission, die Innenminister Markus Ulbig (CDU) bestellt hatte, sieht eine „grundsätzlich gut aufgestellte und gut geführte Behörde mit motivierten Mitarbeitern“. Allenfalls empfiehlt man, kosmetisch nachzubessern. Personal sollte besser qualifiziert und die elektronische Aktenführung modernisiert werden. Auch eine verstärkte Innenrevision sowie ein besseres Controlling durch das Innenministerium werden vorgeschlagen. Beim Landtag sollte zudem ein Verfassungsschutzbeauftragter eingerichtet werden.
Die Kommission, der unter anderem die ehemalige Generalbundesanwältin Monika Harms angehörte, sollte die Arbeitsabläufe des Amtes vor allem mit Blick auf die NSU-Morde prüfen. Anlass bot insbesondere ein brisanter Aktenfund im Juli 2012. Damals tauchten Protokolle von Telefonüberwachungen von 1998 im Zusammenhang mit der späteren NSU-Terrorzelle auf.
Bereits 2007 hatte eine Kommission die Arbeit des VS aufgrund der Sachsensumpf-Korruptionsaffäre unter die Lupe genommen und Kritik an der Behörden geübt. Die Opposition im Landtag wies jetzt darauf hin, wie wirkungslos das damalige Gutachten geblieben sei. Der neue Bericht biete „keine Neuigkeiten“, sagte der Grüne Miro Jennerjahn. Grüne und Linke sehen sich in ihrer Forderung nach Auflösung des Landesamts bestärkt. Zumindest eine Erweiterung der Rechte der Parlamentarischen Kontrollkommission sei nötig, sagte der ehemalige Linken-Fraktionschef André Hahn.
SPD-Innenpolitikerin Sabine Friedel erneuerte die Vorschläge ihrer Partei für einen Neuaufbau des Amtes und einen Verzicht auf V-Leute. Die Kommission hingegen will an den bestehenden Landes- und Bundesstrukturen festhalten. Das kritisiert sogar der Abgeordnete Carsten Biesok von der mitregierenden FDP. Er will alle VS-Behörden und den Militärischen Abschirmdienst zusammenführen. Die verbleibenden Landesaufgaben könnte eine Abteilung im Innenministerium übernehmen. VS-Präsident Gordian Meyer-Plath hat hingegen nur mehr Transparenz angekündigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“