Bilanz Afrika-Cup: Nach dem Cup ist vor der WM
Warum eine Südafrikanerin die Afrika-Meisterschaft in Angola so enttäuschend fand - und dennoch davon überzeugt ist, dass bei der WM alles anders wird.
LUANDA taz | "Ich liebe Afrika und ich liebe Fußball, aber das hier ist die Reise einfach nicht wert", seufzt Keneilwe Masilo. Es ist der Beginn des Afrika-Cups, und die 34-jährige Südafrikanerin steht schon seit zwei Stunden in der Warteschlange, die einfach nicht kürzer werden will. Für 300 Kwanzas, etwas mehr als 2 Euro, gibt es in der BAI-Bank Tickets. Obwohl das ein erschwinglicher Preis ist, scheint es unmöglich zu sein, auch nur ein einziges Ticket zu bekommen.
"Was willst du denn als Frau in einem Fußballstadion in Angola? Willst du umgebracht werden?", fragte ihre Mutter in Pretoria sie vor der Abreise. Damals hat sie gelacht. Jetzt sieht sie hilflos dabei zu, wie sich immer wieder Leute in die Reihe drängen, sich gegenseitig Geld zustecken und dafür ganze Ticketstapel mitnehmen. Sie schweigt, sie kennt sich hier nicht aus. Als sie schließlich doch an der Reihe ist, sind alle Spiele ausverkauft. Angolas Stadien werden trotzdem leer bleiben, das weiß sie. "T.I.A, This is Africa! Die Korruption macht hier vor nichts halt", sagt Keneilwe verärgert, um gleich zu versichern, dass es in ihrer Heimat so etwas nicht gebe.
Die Weltmeisterschaft in Südafrika im Juni werde anders werden. Denn die WM wird von der Fifa ausgerichtet, der Afrika-Cup aber vom Afrikanischen Fußballverband (CAF) und sei daher eher "afrikanisch" organisiert, was für die Südafrikanerin ein Wort der Distanzierung ist. Sie meint damit das Chaos beim Ticketverkauf und den Mangel an Willen, sich richtig um die Fußballfans zu kümmern. Anders als Angola, das Jahrzehnte durch seinen Bürgerkrieg isoliert war, hat Südafrika Erfahrung mit ausländischen Besuchern und eine funktionierende Tourismusindustrie.
Strafe: Togo darf an den nächsten zwei Turnieren nicht teilnehmen. Damit reagiert die Afrikanische Fußball-Föderation auf die "Einmischung der Politik". Togos Ministerpräsident hatte nach dem Attentat auf den Mannschaftsbus zu Beginn des Turniers die Rückkehr der Delegation angeordnet.
Sieger: Das 1:0 gegen Ghana bescherte Ägypten den dritten Titel in Folge und den siebten insgesamt.
Torschützen: Mohamed Gedo (Ägypten) schoss fünf Tore; Flávio (Angola) und Asamoah Gyan (Ghana) trafen jeweils dreimal.
WM-Teilnehmer: Ghana wurde Zweiter; Nigeria, Kamerun und
Algerien erreichten das Halbfinale, die Elfenbeinküste kam ins Viertelfinale. WM-Gastgeber Südafrika hatte sich nicht qualifiziert. (jst)
Wenn es etwas gibt, worüber sich hier alle einig sind, dann ist es der Ärger über die Schlussfolgerungen, die nach dem tödlichen Terrorangriff auf Togos Mannschaftsbus zum Auftakt des Turniers außerhalb des Kontinents gezogen wurden. Der Deutschghanaer Anthony Baffoe, ehemaliger Spieler des 1. FC Köln und im Auftrag der CAF in Angola, wird richtig sauer, wenn er darauf angesprochen wird. "Ich kann nicht verstehen, wie die Welt reagiert hat", sagt Baffoe. "Als ob man nicht will, dass die WM in Afrika stattfindet, hat man sofort Angola mit Südafrika in einen Topf gesteckt. Die Journalisten hätten wenigstens versuchen können, die Ursachen des Ganzen zu analysieren, anstatt alles auf die Weltmeisterschaft zu übertragen."
Aber wie in Angola mit den eingereisten Journalist umgegangen werde, habe nicht geholfen, findet Bakary Cissé, ein Senegalese und Journalist der panafrikanischen Presseagentur Panapress. "400 Dollar habe ich in Cabinda für ein einfaches Zimmer bezahlt, ohne Essen" beklagt er sich. "Das geht doch nicht! Kollegen von mir essen seit Tagen nichts mehr, um das Geld zu sparen, das sie für die Hotels ausgeben. Und die Bevölkerung sieht uns hier nicht mal in die Augen." Wenn er sich beschwere, bekomme er als Antwort, dass er stolz darauf sein solle, ein neues Angola mit aufzubauen. Seine Schlussfolgerung: "Eigentlich wollen sie uns hier nicht."
"Ein vereintes Land, vom Fußball bewegt", lautete der offizielle Slogan der CAF auf den Großleinwänden in den Straßen von Luanda. Angola sollte ein anderes Image bekommen als das des bürgerkriegsgebeutelten Ölproduzenten. Die Regierung erklärte das Turnier zum größten gesellschaftlichen Ereignis Angolas seit der Unabhängigkeit von Portugal 1975; die Fans trugen rot-gelb-schwarze Fahnen, Perücken und Schals bei Temperaturen von 40 Grad. "A minha terra, o meu país", meine Erde, mein Land, stand auf den Fanartikeln, die zu großen Teilen auch das Emblem der Regierungspartei MPLA zierten. Die Grenzen zwischen Partei und Staat verschwimmen in Angola ohnehin.
Umso schlimmer war für die Organisatoren das Attentat von Separatisten in der Provinz Cabinda zu Beginn des Turniers, das Angolas Regierung ebenso kleinzureden versuchte wie der Afrikanische Verband. Dieser beschloss am Sonntag, das Team Togos, das nach dem Attentat auf Geheiß des togolesischen Ministerpräsidenten abgereist war, von den beiden kommenden Afrika-Cups auszuschließen. Eine solche Einmischung der Politik verstoße gegen die Statuten des Verbands, hieß es zur Begründung.
Die Südafrikanerin Keneilwe hat später doch noch Glück. Vor dem Viertelfinalspiel des Gastgebers Angola gegen Ghana steht sie inmitten der Angola-Fans auf dem mit großen Allradantriebautos besetzten Parkplatz und hält glücklich ihr Ticket in den Händen. Sie hat es auf dem Schwarzmarkt ergattert, für 4.500 Kwanzas, ca. 35 Euro. Im Stadion wird sie sich so sehr zu Hause fühlen wie nirgendwo sonst im Land. Die Unfreundlichkeit, die ihr in Luanda begegnet ist, habe sie vor dem Viertelfinale zu einem großen Fan der ghanaischen Mannschaft werden lassen, versichert sie.
Der WM-Gastgeber Südafrika, der sich für den Afrika-Cup nicht einmal qualifizieren konnte, hatte in Angola immerhin einen großen Auftritt. Danny Jordaan vom südafrikanischen WM-Organisationskomitee gab bei der CAF-Generalversammlung einen Bericht über die Vorbereitungen für die WM. Den großen Kampf zwischen Wahrnehmung und Realität hätten sie bereits gewonnen, erzählte er. Jetzt müssten die Afrikaner zusammenhalten, um aus 2010 ein großes Jahr für den afrikanischen Fußball zu machen. Mit anderen Worten: Noch ist es nicht so weit.
Zurück in Pretoria macht sich Keneilwe über die WM keine Sorgen. "Angola war nichts für echte Fußballfans, nur was für die Reichen. Aber zum Glück ist die CAF nicht die Fifa und Angola nicht Südafrika", erzählt sie am Telefon. Ihr Ticket aus Angola hat sie als Erinnerung an die Wand gehängt.
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