berliner szenen: Bikini im winterlichen Park
Am Wochenende sind die Parks übertrieben vollgepumpt mit Leuten, denen zu Hause die Decke auf den Kopf zu fallen droht – also allen. Freute man sich noch vor Corona auf die gemütliche Couch am Wochenende, ist sie inzwischen fast zu einem Reizobjekt geworden, zumindest für diejenigen, die sich nach Action oder rauschhaften Nächten sehnen, klebend an einem Tresen, auf denen kontinuierlich kleine Schnapsgläser oder große Bierkrüge serviert werden.
Jedenfalls verließ ich am Samstag das Haus, wie gefühlt ganz Berlin, das so schneebedeckt war wie schon ewig nicht mehr. Weil es über null Grad war, lag am Mittag schon mehr Matsch als Schnee, und an den hellen Stellen musste man sachte sein, um nicht auszurutschen. Nicht die besten Bedingungen also für eine Joggingrunde durch den Schöneberger Park, der nach kurzer Zeit zum Wilmersdorfer Park wird und den ich nach zwei Lockdowns so gut kenne wie vorher die Kneipen von innen. Aber sei’s drum, dachte ich.
Alles lief wie immer, ich drehte meine Runde, bis ich auf dem Rückweg abrupt stehen blieb. Ich traute meinen Augen kaum, sah ich doch im tiefsten Winter bei Schnee, Eis und Kälte eine junge Frau, die sich in einem bikiniartigen Outfit an einer Metallstange räkelte, während eine andere junge Frau Fotos machte und wieder zwei andere junge Frauen dabei etwas verstohlen lachten.
„Was geht denn hier ab?“, fragte ich die Frau mit der Kamera. Sie grinste und sagte: „Wir sind Pole-Tänzerinnen und wollen paar Fotos machen für unsere Website.“
„Ist aber nur ein Hobby“, fügte eine andere hinzu, die eben noch gelacht hatte. „Und warum macht ihr das hier und heute?“, fragte ich. Die Frau mit der Kamera ließ ihren Blick gleiten durch den verschneiten Park und sagte dann: „Weil’s schön ist.“
Eva Müller-Foell
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