„Bike and Ride“ im Kommen?

Das erstes Fahrradparkhaus in Bielefeld wird gut angenommen, doch die Umsetzung von Stellplätzen für mehr abgasfreien Fahrradpendlerverkehr steckt noch in den Anfängen.  ■ Von Uwe Pollmann

Jahrelang hatte die Stadt Bielefeld erhebliche Probleme mit ihren Autoparkhäusern. Da waren manche kaum ausgelastet. Nun zeigen Umweltschützer den Stadtoberen, wie man Großgaragen mit Leichtigkeit füllt. Zwei Jahre hatten sie den Rat gedrängt, die alte und leerstehende Expreßguthalle neben dem Hauptbahnhof sinnvoll zu nutzen. Mitte 1992 war es geschafft. Eine bundesweit einmalige Servicestation wurde eröffnet. Und morgens zwischen sechs und acht Uhr, wenn die Nahverkehrszüge aus den umliegenden Städten einrollen, die Rush-hour auf den Bahnsteigen beginnt, herrscht auch in der alten Expreßguthalle Hochbetrieb: Fahrräder werdenhier abgegeben oder abgeholt.

„Mittlerweile haben die Leute alle ein ziemlich teures Rad, das von keiner Versicherung übernommen wird“, meint Maria Mickenbecker, eine der zehn BewacherInnen der hierzulande ersten bewachten Fahrradstation, die stets rappelvoll ist. Da seien viele froh, wenn sie es für eine Mark am Tag oder zehn Mark im Monat hier unterstellen könnten. „Im Winter rostet es nicht, es wird nicht geklaut oder demoliert.“ Denn das waren die hauptsächlichen Klagen der Berufspendler, Reisenden und Einkäufer in den vergangenen Jahren.

Im neuen Parkhaus haben zweihundertachtzig Räder Platz. „Außerdem haben wir Schließfächer. Und nebenan gibt's einen Laden mit Werkstatt, wo der Kunde sein Rad abgeben und es abends repariert wieder mitnehmen kann“, erläutert Sabine Heide, Koordinatorin des Modells, das Projekt. Eine Tür weiter vermietet ein Fahrradkurierdienst auch Räder, und noch eine Tür weiter gibt der „Allgemeine Deutsche Fahrradclub“ (ADFC) Tips rund um den Drahtesel.

Abgeguckt haben sich die Bielefelder Radfans die Idee aus den Niederlanden, wo die Staatsbahn an achtzig Bahnhöfen bereits Radstationen mit neunzigtausend Stellplätzen hat. Aber neu ist die Idee auch hierzulande nicht. Fahrradwachen gab es in der Nachkriegszeit vor Fabriken und Bahnhöfen, bis die Auto-Gesellschaft sie überflüssig machte. Doch Staus und Umweltverschmutzung machen „Bike and Ride“ oder „Rail und Radel“ jetzt wieder zur Alternative.

„Unterschätzt haben das alle“, sagt Professor Hermann Zemlin vom Verkehrsverbund Rhein- Ruhr (VRR). „Es wurde zuwenig daran geglaubt, daß der Radverkehr, nachdem er in den fünfziger Jahren wichtig war, nicht nur als Sport da war.“ Der Anfang der achtziger Jahre gegründete VRR habe aber schnell gehandelt und fünftausend Einstellplätze für Räder an Haltestellen aufgebaut. „Das werden wir erweitern auf dreißigtausend.“

Mehrheitlich sind es einfache Radbügel, die den Drahtesel abschließen. Und da das Rad vor Beschädigung nicht sicher ist, will auch der VRR bessere Lösungen wie zum Beispiel „Radboxen“, so Professor Zemlin. „Das sind abschließbare Kästen, in die Sie das Rad reinstellen können. Da kann keiner mehr ran.“ Zehn Prozent der Einstellplätze seien bereits Boxen, die nur für Besitzer von Dauerkarten des Verkehrsverbundes gedacht sind. Nur nehmen sie viel Platz weg und kosten so wie die dritte Möglichkeit, die bewachten Radstationen, viel Geld.

Dennoch werde der VRR beides ausbauen, meint Zemlin, soweit sich Kooperationspartner finden, die helfen. Die Frage, ob dadurch mehr Kunden gewonnen werden, bejaht der VRR-Sprecher: „Das kann man daran messen, daß, wo immer wir Stellplätze bauen, diese sofort belegt sind.“ In einigen Städten sind deshalb Musteranlagen in Planung oder im Bau: Hilden, Langenfeld, Lünen, Münster, Oberhausen, Ratingen- Hösel.

Auf Skepsis stößt die jedoch beim Unternehmen Bundesbahn. „Bike and Ride ist kein Geschäft“, so ein DB-Sprecher. Deshalb scheue man auch jede Investition. Immerhin koste der Bau bewachter Anlagen bis zu tausend Mark pro Rad. Da werde das Bundesunternehmen nichts ausgeben und höchstens freie Räume zur Verfügung stellen, heißt es. Die weitere Finanzierung sei laut „Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz“ Aufgabe der Kommunen, die darüber hinaus Zuschüsse bei Land und Bund beantragen könnten.

Kostendeckend ist ein „Fahrradparkhaus“ aber dann mitunter noch nicht. In Bielefeld muß die Stadt dem Modellprojekt jährlich fünfzigtausend Mark zuschießen, so Sabine Heide. „Wir haben zweihundertachtzig Plätze, aber wir bräuchten neunhundert, damit die Einnahmen die Personalkosten decken.“ Zwar wolle man nun den Service erweitern, noch einige Stellplätze hinzunehmen, nur aus den Miesen werde auch das nicht führen.

Lobenswert ist da allemal, daß die Stadt die Station nicht aufgeben will. Denn Jahr für Jahr wird die Luft in der Innenstadt nach Messungen rapide schlechter. Dazu kommt, daß der Diebstahl von Drahteseln laut „Verkehrsclub Deutschland“ (VCD) mit bundesweit einer halben Million im vergangenen Jahr erschreckende Ausmaße angenommen hat. Und schmeichelhaft für die Stadt am Teutoburger Wald ist ebenso, daß sich Initiativen und Städtevertreter von Freiburg bis Berlin im Bielefelder Fahrradparkhaus die Hände geben, weil sie die Idee für eine eventuelle Nachahmung begutachten.

Nur, merkt der VCD warnend an, mit einem Parkhaus am Hauptbahnhof sei die Sache noch lange nicht getan. Die Wende komme erst dann, wenn auch in den Stadtteilen und an kleineren Bahnhöfen wieder sichere Abstellplätze ständen. So wie ehemals, bevor die Autolawinen unsere Straßen verstopften und die Städte erstickten.