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Bier gegen Abstieg

Bestechungsskandal von Aue weiter undurchsichtig  ■  PRESS-SCHLAG

Der FC Wismut Aue steht zur Zeit in den Schlagzeilen wie ein Spitzenclub. Der Bestechungsskandal um die Abstiegsentscheidung 1987/88 erregt die Gemüter. Damals brauchte Aue noch einen oder gar zwei Punkte aus dem Spiel in Magdeburg, um dem Abstieg zu entgehen. Der damalige Sektionsleiter Werner Lorenz ließ dem Magdeburger Trainer Joachim Streich ein Angebot von 10.000 Mark für die Überlassung eines Punktes unterbreiten. Der Rekordnationalspieler der DDR, der ab Juni Eintracht Braunschweig trainieren wird, sagt, der Deal sei gescheitert, weil er sofort Klubchef König informiert habe. Der wiederum behauptet, umgehend den Fußballverband der DDR (DFV) unterrichtet zu haben.

Das entsprechende Schreiben konnte jedoch auch nach zweiwöchiger intensiver Suchaktion nicht aufgetrieben werden, und plötzlich erinnerte sich König, daß es sich nur um eine handschriftliche Notiz gehandelt habe. Eine Version, die der amtierendende DFV-Generalsekretär Spitzner bezweifelt: ein solch wichtiges Schreiben könne nicht mit der Hand verfaßt worden, noch weniger aber verschwunden sein. Wie dem auch sei, Aue gewann in Magdeburg mit 1:0 und blieb in der Oberliga.

Der Fußballclub von Aue, das 40 Kilometer von Karl-Marx -Stadt entfernt liegt und 35.000 Einwohner hat, wurde 1947 aus der Taufe gehoben und durch die sowjetisch-deutsche Aktiengesellschaft (SDAG) Wismut finanziert, die Uran aus den Stollen im Süden der DDR fördert. Jahr für Jahr stieg das Team eine Klasse höher, 1952 schließlich in die Oberliga. Aus der Wiese, auf der bis dahin gespielt wurde, entstand mit Hilfe sowjetischer Soldaten das Otto-Grotewohl -Stadion, das 25.000 Zuschauern Platz bietet. Seit 1987 wird es rekonstruiert und nun, wo die Arbeiten ihrem Ende entgegengehen, steht schon wieder das Abstiegsgespenst vor der Tür.

Nach den Erfolgen der 50er Jahre - Wismut wurde dreimal Meister und einmal Pokalsieger - blieb die Unterstützung durch den Staat aus, der Klub aus dem Leistungszentrum Karl -Marx-Stadt hatte Vorrecht, die Erzgebirgler mußten sich immer mehr nach hinten orientieren. Am Ende der Saison 76/77 etwa benötigten sie einen Punkt in Erfurt, um den Klassenerhalt zu sichern. Damals war an 10.000 Mark noch nicht zu denken, aber hartnäckig hält sich das Gerücht, daß zwei Fässer Bier der Marke Wernesgrüner den Weg nach Thüringen mitangetreten hätten. Ein Faß sei vor, eines nach dem Spiel beim FC Rot-Weiß Erfurt gelandet. Als die Gastgeber „unplanmäßig“ 1:0 führten, sollen die Trainer der Erfurter ihre Spieler gefragt haben, ob sie denn kein Bier wollten. Logisch, daß eine Minute später der Ausgleich fiel.

Nun aber scheint es endgültig bergab zu gehen. Im Sommer 1989 setzten sich drei Spieler in den Westen ab, die dadurch und durch die folgende Stasi-Schnüffelei entstandene Unruhe hat die Mannschaft nie abstreifen können. Um oben zu bleiben, muß sie in den verbleibenden sechs Spielen vier Punkte aufholen. Nach dem blamablen 0:3 gegen Brandenburg am 3.April schrieb man auf der brandneuen Anzeigentafel im brandneuen Stadion aber bereits den Abgesang: „Gute Nacht“.

Ralf Kraft

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