Bienen als Hobby: aller Anfang ist schwer: Die Beute im märkischen Sand
Die Bienenhaltung liegt voll im Trend und ist nicht ohne – ohne Honig aber bisweilen, wie Jungimker Ernesto schmerzlich lernen muss.
„Nimm den verdammten Löffel da weg! Und steh nicht so blöd vor dem Einflugloch rum!“ Er wollte doch nur Honig haben, eine Kopfnuss ist aber alles, was Ernesto von Melissa bekommt. Mit dem Löffel in der Hand tritt er mürrisch lamentierend zur Seite, weg von der Beute. „Bienen, hat sie gesagt. Und Honig hat sie versprochen. Ich werde von vorn bis hinten betrogen. Beute heißt die blöde Kiste doch nur, weil die Viecher keine Miete zahlen.“
Melissa bleibt ungerührt. Ein gezielter Stoß Rauch aus dem Smoker in das Flugloch und prompt nimmt die Hektik der Bewegung ab. Unter dem glänzenden Deckel der Kiste kommen zwei Platten zum Vorschein, darunter wiederum ein Leinentuch. Mit wenigen Handgriffen entfernt Melissa diese Abdeckungen, noch einmal Rauch dazu von oben und da sind die Rahmen mit den Waben zu sehen, der Brut, dem Pollen, dem Honig …
„Kaum Honig, zu wenig Nektar“, ist Melissas knappe Diagnose, „Wir werden zufüttern müssen.“ Ernesto kann es kaum glauben. Dieses Experiment war von Anfang an ein Desaster. Erst Mitte Juni war es Melissa gelungen, einen Schwarm für diese Beute zu besorgen, viel zu spät für die Frühjahrsblüten. Für die 150 Euro die der Bioimker verlangt hatte, wurde noch ein Gesundheitspass zu dem Völkchen geliefert.
Dann fingen die Bienen an, die Rahmen von unten zu bebauen, statt von oben und drängten sich so auf engstem Raum am Boden der Beute. Es war ein wenig so, als würden Umzugshelfer gleich die ersten Kisten und Möbel im Flur der neuen Wohnung stapeln und die hinteren Zimmer unerreichbar und leer lassen. So brauchte es Wabenstreifen, geklebt an den oberen Rand der Rahmen, um den Bienen begreiflich zu machen, wo sie besser mit dem Bau beginnen sollten. Ernestos Glaube an die Verbindlichkeit der Evolution hatte da einen erheblichen Knacks bekommen.
Zucker-Kamillentee-Lösung
Dass es eben zu trocken zum Nektarsammeln sei, muss er sich jetzt anhören. Zu trocken! An den anderen Tagen war es entweder zu kalt gewesen, oder zu nass oder auch zu windig. „Wenn ich das schon höre: Bienensterben. Es ist doch eher verwunderlich, dass die kleinen Sensibelchen nicht schon längst mit Schimpf und Schande von der Erdoberfläche verschwunden sind.“
Ernesto unterstreicht jede Silbe mit einem kräftigen Löffelschwung. Lauter Ausreden, um ihn um den Honig, seine Belohnung zu bringen. Schließlich ist es sein Grundstück, auf dem die Beute steht, irgendwo zwischen Kiefern im märkischen Sand. „Hör auf, mit den Augen zu rollen, du Plunze!“ Melissa, tief in die Beute gebeugt, darin das Futterglas mit der Zucker-Kamillentee-Lösung platzierend wundert sich, woher Ernesto weiß, wie genervt sie schaut. „Ich kann das hören!“ Na dann.
Ernesto ist nicht zu bremsen: „Bienen sind gar keine Tiere, Bienen sind wie Pflanzen. Die können sich auch nicht selber versorgen. Unselbständige Mietpreller. Überall hab ich Blumen mit tonnenweise Kompost auf diesem Dreckssand hochgezogen, Lavendel sogar. Das alles schauen die mit dem Arsch nicht an, fliegen irgendwo rum, während sich hier Wildbienen und Hummeln uneingeladen den Bauch vollschlagen. Seit die Bienen auf meinem Grund und Boden rumschmarotzen, sind sogar Wespen unterm Dach eingezogen. Die haben immerhin ganz allein den Eingang gefunden und auch gleich gewusst, wo die Möbel hingehören. Das reinste Insektenhotel ist das hier. Nur bezahlt niemand die Rechnung.“
„Honig gibt es nächstes Jahr“, versucht Melissa ihn zu beruhigen. „Nächstes Jahr?“, fragt Ernesto entrüstet und fügt höhnisch an: „Vergiss nicht, die Bienen so lange zu gießen!“ Ach ja, eine Bienentränke. Die hatte sie noch nicht aufgestellt. Eine Schale, ein paar Steine hinein, Wasser – fertig.
„American Dadant“ heißt die Beute
Melissa geht ins Haus und kommt mit einem Glas zurück: „Da, Honig.“ Ernesto schaut auf das Etikett. „Der ist doch gekauft! Ich soll jetzt gekauften Honig essen?“ Von der ganzen Wut erschöpft lässt er sich auf den Boden sinken. Mit dramatisch ausholender Geste steckt er den Löffel ins Glas. „Gekaufter Honig. Wie so ein Trottel ohne Bienen …“
Ein Trend ist die Haltung der Bienen und er hatte sich überreden lassen, aber doch wegen des Honigs. Sogar die Nachbarn wurden gefragt und die waren einverstanden. Und jetzt saß er hier vor einer teuren Holzkiste ohne Return on Investment. Und dieser alberne Schleier erst.
„American Dadant“, so heißt die Beute. Das ist am Ende auch nur so ein stylisches und überteuertes Gartenmöbel, absolut waagerecht, braun gebeizt. Die Bienen fliegen ein und aus, vielleicht 30 von ihnen aber schweben vor dem Einflugloch auf und ab. „Flugschule“, sagt Melissa.
„Können die denn gar nichts von alleine?“ Und noch eine Kopfnuss. Eine Biene lässt sich auf Ernestos Schulter nieder. Die Beine gelb beladen. „Pollenhöschen“, sagt Melissa, „Damit füttern sie die Brut.“ „Bei mir gibt es aber keinen Pollen und meinen Honig kriegt die nicht!“
„Die ruht sich aus, Ernesto.“
„Bei mir?“
„Warum auch immer bei dir, aber ja.“
„Wie süß. Und das ist für die Brut?“
„Sag ich doch.“
Ernesto grinst: „Aber nächstes Jahr gibt es dann wirklich Honig, ja?“
„Ja, nächstes Jahr.“
„Sicher?“
„Ganz sicher!“
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