Bezirk sägt 250 Bäume im Tiergarten ab

■ Aus Gründen der »Bestandspflege« ließ Gartenbauamt im Tiergarten zum großen Teil gesunde Bäume fällen/ Weitere Sägeaktionen sind vorgesehen/ Heftiger Protest von Naturschutzgruppen und der AL

Tiergarten. Das bezirkliche Naturschutz- und Grünflächenamt ließ in den vergangenen Wochen im großen Tiergarten etwa 250 Bäume und Sträucher roden. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft »Rettet den Tiergarten« soll davon nur jeder dritte Baum krank gewesen sein. Die Arbeitsgemeinschaft — ein Zusammenschluß verschiedener Naturschutzgruppen — fordert ebenso wie die Bezirks-AL, daß ab sofort keine gesunden Baumbestände mehr der Säge zum Opfer fallen. Seit Beginn der Winterperiode hätten täglich bis zu 50 Bürger bei den Naturschutzinitiativen und der AL angerufen und sich nach dem Anlaß der Rodungen erkundigt, berichtet AG-Sprecher Reiner Schicks.

Betroffen von dem Kahlschlag ist offenbar hauptsächlich das Gebiet zwischen der Straße des 17. Juni, der Entlastungsstraße und der Tiergartenstraße bis an die Hofjägerallee. Der AG zufolge wurden die Bäume zum größeren Teil im Bereich der Großen Sternallee am Kurfürsten- Denkmal gekappt.

Diese Woche waren an Wegen und Gewässern nur noch Stümpfe zu sehen. Von deren Umfang her muß es sich um stattliche Baumriesen gehandelt haben. Erlen, Ahorne und Kirschbäume mit einem Stammumfang von immerhin 108 bis 180 Zentimetern sind in einer Liste des Gartenbauamts für das Parkrevier um die Querallee als Todeskandidaten aufgeführt.

»Um zu verschleiern, daß das überwiegend gesunde Bäume waren, haben Gartenbauamtsmitarbeiter Laub über die Stümpfe gelegt«, erzählt Schicks. »Das haben wir dann wieder weggeräumt.« Schicks zeigt die Wurzeln einer ehemaligen Eiche, die man zwischen andere Bäume gezogen hat — vermutlich, um sie den Blicken von Spaziergängern zu entziehen.

Daß zu einem guten Teil auch gesunde Bäume im Tiergarten gefällt worden sind, bestreitet das Naturschutz- und Grünflächenamt des Bezirkes nicht. Diese Bäume hätten andere im Wuchs behindert und deshalb im Rahmen von »Bestandspflegemaßnahmen« entfernt werden müssen, erklärte Amtsleiter Erhard Albrecht. Ein weiterer Grund für den Einschlag sei auch, daß auf Kleingewässer im Tiergarten wieder mehr Sonnenlicht fallen soll.

Wie Albrecht erläuterte, ist das an den Zuläufen vom Landwehrkanal angepflanzte Schilf eingegangen, weil es zu sehr im Schatten wachsen mußte. In dem Bereich der Zuläufe wolle man das Schilf wieder anpflanzen. Nach den Worten des Gartenbauamtsleiters müssen zum Erhalt der Freiräume künftig im Tiergarten noch mehr Bäume gefällt werden, »weil die Bäume ohnehin alle wachsen« und an »Biomasse« zunähmen.

Die AG »Rettet den Tiergarten« akzeptiert die Begründung jedoch nicht. Beispielsweise belege ein Gutachten der Baumschutzgemeinschaft, daß sich Schilf im Tiergarten nicht halten könne, sagte Sprecher Schicks. Gesunde Bäume dürften auch deshalb nicht gefällt werden, weil der Bau der drei geplanten Tunnel unter dem Tiergarten zu einer weiteren schweren Schädigung des Stadtgrüns führen werde. Schon jetzt seien drei Viertel der rund 200.000 Bäume in dem ersten Berliner Volkspark erkennbar geschädigt, stellte die BI Westtangente im April letzten Jahres fest.

In den vergangen Tagen ist erst ein Stück der grünen Lunge Tiergarten an der Ebertstraße »weggeschnitten« worden. Nach Auskunft von Amtsleiter Albrecht soll der historische Tiergarten — hier eine Allee — wiederhergestellt werden. Thomas Knauf