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Bezirk erschwert HotelneubautenSchlaf gut, Friedrichshain!

Im Szenekiez sollen weniger Hotels und Hostels entstehen, damit Anwohner mehr Ruhe haben. So will es der Bezirk. Tourismusverband froh über weniger Konkurrenz.

Randvoll mit Touristen: Die Oberbaumbrücke zwischen Kreuzberg und Friedrichshain Bild: dpa

Es ist eine der Nebenwirkungen, die das Dasein als Szenebezirk so mit sich bringt: Touristen suchen einzeln, in kleinen oder großen Gruppen ein Quartier, findige Hoteliers sehen Bedarf, wo Bedarf ist, und eröffnen Hostel um Hostel. Und erweitern. Und setzen noch ein Hotel daneben.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg will dieser Entwicklung nun Einhalt gebieten. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) billigte in ihrer Sitzung am Mittwochabend verschärfte Bedingungen für die Ansiedelung von "Beherbergungsbetrieben". Fraktionsübergreifend, so berichten es Teilnehmer. Laut dem Beschluss werden Betriebe mit einem "erhöhten Störpotenzial" wohl nicht mehr genehmigt: Etwa wenn sie mehr als hundert Betten bereitstellen wollen, in einer ruhigen Wohnstraße liegen werden oder die Anreise über einen von Wohngebäuden umgebenen Hof erfolgen soll. Auch Erweiterungen von bereits bestehenden Hotels und Hostels sollen von der Neuregelung betroffen sein.

"Wir haben in den zurückliegenden Jahren erhebliche Konflikte auszutragen gehabt", begründet Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) den Beschluss, der auf seine Initiative zurückgeht. Vor allem bei den im Stadtteil Friedrichshain häufig vorkommenden Unterkünften in Hinterhäusern habe es Beschwerden über Lärm und Partys in den Höfen gegeben, berichtet er. "Der Konflikt hat sich über die letzten Jahre verstärkt, da die Anzahl der Hostels zugenommen hat."

Tatsächlich zeigen die Zahlen: In Friedrichshain-Kreuzberg gibt es heute doppelt so viele Hostels wie vor fünf Jahren. Währenddessen ist die Zahl der Hotels nur um knapp 20 Prozent gestiegen. Und die Betten stehen nicht leer: Die Zahl der Übernachtungen von Januar bis August lag 9 Prozent höher als im Vorjahreszeitraum. Vergleicht man nur den Monat August, waren es sogar über 14 Prozent mehr Übernachtungen. Das ist berlinweit der erste Platz, noch vor Mitte und Charlottenburg-Wilmersdorf. Bei der Zahl der Gäste lag der Bezirk im August auf Platz drei.

"Es ist immer gut, ein Steuerungsinstrument in der Hand zu haben", sagt John Dahl, Bezirksverordneter der SPD. Auch außerhalb des Bezirks gibt es positive Stimmen: "Wir haben durchaus Verständnis für so einen Beschluss", sagt Natascha Kompatzki, Sprecherin des Branchenverbandes visit Berlin, der ehemaligen Berlin Tourismus Marketing GmbH.

Auch wenn sie von Konflikten zwischen Anwohnern und Touristen nichts berichten kann. Das Verständnis des Verbands hat aber noch einen anderen Hintergrund: Viele Hotels auf wenig Platz verderben den Betreibern die Preise. Als "ruinös" bezeichnet Kompatzki den aktuellen Wettbewerb zwischen den Häusern.

Ein bis drei Hostels pro Jahr, glaubt Schulz, würden durch die Neuregelung verhindert werden. Der Beschluss bezieht sich in erster Linie auf den Stadtteil Friedrichshain, doch Schulz betont, dass die Kriterien auch in Kreuzberg Anwendung finden sollen. Hier sei es nur bereits jetzt eher möglich, geplante Einrichtungen mit Blick auf mögliches Konfliktpotenzial zu verhindern. Das liege daran, dass Kreuzberg als ehemals zu Westberlin zugehöriger Bezirk stärker planungsrechtlich strukturiert sei.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung äußerte sich mit Blick auf die Wirksamkeit zurückhaltend: "Da ist nichts drin, was nicht jetzt schon möglich ist", sagte Sprecher Mathias Gille über den Beschluss.

Schulz dagegen betont, dass es auch darum gehe, an den Stellen, wo letztlich nach Ermessen entschieden wird, eindeutigere Regelungen zu schaffen. "Wir wollen keine Anti-Tourismus-Kampagne lostreten", sagt er. Im Gegenteil hoffe er, dass Anwohner die Touristen stärker akzeptieren, wenn die Konflikte abnehmen.

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5 Kommentare

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  • A
    Alex

    kann schon verstehen dass zu viele hostels nerven.

    andererseits kann berlin froh sein, dass wenigstens im tourismus arbeitsplätze entstehen.

    das ist doch mal eine erfolgsstory.

    also nicht zuviel rummäkeln wegen der lounges, bars usw.

    gibt übrigens ziemlich viele Bezirke in berlin wo nix los is und auch kein hotel gebaut werden wird. Ist ja evtl. eine alternative für Ruhesuchende.

    Gruss aus München

  • IH
    Ich Hase

    " WIr können uns das nicht leisten!" _ Ich kann mir das leisten, ich will nciht panisch und unüberlegt jedem sich bietenden Euro hinterherhecheln. Ich will auch lieber einen Job haben der mir Spaß macht u d der mir liegt, und nicht im Hotel arbeiten "müssen" weil es nix anderes mehr gibt für so nen Studi wie mich. Ich will echte Nachbarn haben und nicht diese Schulklassen bzw. skandinavischen Rentner. Wenn ich Tourismus in meiner Nachbarschaft will, ziehe ich in einen Bezirk, der traditionell so aufgestellt ist. Ich finde dass Kreuzberg/Friedrichshain ausreichend Hotels hat. Insofern freue ich mich über das fraktionsübergreifende Signal.

  • S
    Soeren

    Ich würde sagen, wir erklären Friedrichshain zum zentralen Ferienlager und damit hat sichs.

    Szenekiez. Was soll das sein?

    Restaurants auf dem Niveau einer stillgelegten Bahnhofsgaststätte? Ich hab nichts gegen Schulklassen, ich war selber mal in einer. Aber warum lässt man sich das zur Schule gehen auf T-Shirts schreiben und fährt damit nach Friedrichshain? Warum müssen junge Leute die in den Stand der Ehe treten möchten vorab trinkspielend durch die Strassen ziehen? Ich will ja keine Edelgastronomie, da ist das billige zumeist bloss teuer statt billig. Kommt, lasst uns nach Friedrichshain gehen, irgendwo essen, irgendwo trinken, irgendwo irgendwie die Haare schneiden lassen, schau dort wohnt ein dsds Kanditat, oder schaut so aus. Szenekiez, alter. Pizza ausm Pizzaautomaten, schlafen im Schlafautomaten. Neben der Thor Steinaar Frühstücksgruppe der autonomen Nationalisten können wir auch sitzen. Wir erkennen die nicht, im Szenekiez gibts nämlich keine Nazis, dafür klingt Szenekiez zu kultiviert und das sind wir doch und das schliesst Nazi sein doch aus. Und wenn: ich esse ja auch jeden Scheiss, da kann ich mich auch ansonsten aufhören zu verhalten. Ströbele direkt gewählt! ICH.

    Ach Verflucht, ich will einfach keine "Abschlussfahrt tatütata Berlin irgendwann" T-Shirts mehr sehen. Ich möchte nicht das ein RestaurantCafeBarLounge Betrieb in der Sonntagstrasse Sunday heisst. Warum nicht? Weils nervt. Darum. Weil die Sonntagstrasse nicht nach dem Wochentag benannt ist. Huch, da hab ich doch das ß im Sunday vergessen. Nicht nur da. Eh alles komisch. Szenekiez halt.

  • I
    ich

    doch können und müssen wir

  • E
    EnzoAduro

    Die Hotels sind unsere Industrie. Weniger Hotels heißt nur das die Hotels mehr verdienen und die Bettenpreise steigen.

    Das ist aber nicht im Interesse Berlins. Es sollten möglichst viele Hotels entstehen die sich gegenseitig konkurrieren. Mehr Hotels heißt auch mehr Arbeitsplätze. Wir können uns das nicht leisten!