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Beziehungen zwischen USA und AfghanistanBeginn eines Tauwetters

Washington und Kabul tauschten Gefangene aus. Jetzt wollen sie über Waffen, einen Militärstützpunkt und die Wiedereröffnung ihrer Botschaften sprechen.

Von den Taliban freigelassene Amerikanerin Faye Hall in der katarischen Botschaft in Kabul, 29. März Foto: Qatari Diplomat/Handout via reuters

Berlin taz | Die Freilassung der US-Amerikanerin Faye Hall in der Nacht zum Sonntag durch die afghanischen Taliban ist ein weiteres Zeichen für ein politisches Tauwetter, das sich zwischen ihnen und der Trump-Regierung anbahnt. Die Amerikanerin war nach der Machtübernahme des Islamisten-Regimes im August 2021 im Land geblieben und hatte bis vor Kurzem offenbar unbehelligt private Bildungskurse für Mädchen und Jungen durchgeführt.

Doch dann wurde sie im Feb­ruar zusammen mit einem älteren britischen Ehepaar festgenommen, als sie bei einem Ausflug ohne Genehmigung eine Kameradrohne fliegen ließen. Das Schicksal der beiden Briten ist weiter ungeklärt.

Halls Fall ist schon der vierte einer Reihe von Freilassungen von US-Bürger*innen in Afghanistan seit der Amtsübernahme von Donald Trump am 20. Januar. Schon einen Tag danach kamen zwei Männer frei – als Teil eines Deals, den noch die vorherige Regierung von Joe Biden ausgehandelt hatte.

Im Gegenzug wurde ein Afghane freigelassen, der in Kalifornien als verurteilter Drogenhändler und Taliban-Finanzier einsaß. Ein dritter Amerikaner folgte in der vergangenen Woche. In allen Fällen vermittelte der Golfstaat Katar, der enge Beziehungen zu den Taliban unterhält.

Als „Vizekönig“ bekannt

Die dritte Freilassung war besonders. Sie kam, als sich Adam Boehler, Sonderbeauftragter für Geiselfragen in der Trump-Regierung, in Kabul aufhielt. Denn mit Boehler betrat erstmals unter den Taliban ein Offizieller einer US-Regierung afghanisches Territorium. Begleitet wurde er dabei von Salmay Khalilsad, dem früheren US-Sondergesandten und Ex-Botschafter (2004/2005) in Kabul. Er ist afghanischer Herkunft und war damals als „Vizekönig“ bekannt.

Als Sondergesandter während Trumps erster Präsidentschaft verhandelte er mit den Taliban das desaströse Abzugsabkommen von 2020, das zu deren Machtübernahme in Kabul führte. Manche Beobachter glauben, dass er in diese Rolle jetzt zurück möchte. Es war auch Khalilsad, der die Freilassung Halls in sozialen Medien bekanntgab.

Kurz vor Boehlers Ankunft hatten die Taliban eine riesige Inschrift mit der Schuhada – dem islamischen Glaubensbekenntnis – an einer Mauer vor der derzeit unbesetzten amerikanischen Botschaft in Kabul verschwinden lassen. Gemeint war sie als Triumphbotschaft der neuen Herrscher an die abziehenden Besatzungstruppen – gemäß einer Aussage von Taliban-Chef Hebatullah Achundsada vom Juni 2022: „Unser Gott ist Allah, nicht ihr.“

Weitere Themen für Verhandlungen mit den Taliban hat Trump bereits gesetzt. Zum einen sollen sie dazu gebracht werden, einer erneuten US-Truppenpräsenz auf dem ehemaligen Stützpunkt Bagram nördlich von Kabul zuzustimmen – „nicht wegen Afghanistan“, so Trump, sondern weil es „nur eine Flugstunde von dem Ort entfernt ist, an dem China seine Atomraketen baut.“

Weiteres Anzeichen

Außerdem will Trump die Taliban bewegen, Waffen im Wert von sieben Milliarden US-Dollar zurückzugeben. Die hatten die USA an Afghanistans frühere Regierung geliefert, doch waren sie dann den Taliban in die Hände gefallen. Zudem halten die Taliban mindestens zwei weitere US-Amerikaner fest, die Trump zurückholen möchte. Im Gegenzug geht es um den letzten in Guantanamo festgehaltenen Afghanen.

Ein weiteres Anzeichen für ein Tauwetter zwischen Trump und den Taliban folgte am vorigen Dienstag, als die US-Geheimdienste ihre gemeinsame Bedrohungsbewertung veröffentlichten: Darin tauchen die Taliban erstmals seit drei Jahrzehnten gar nicht mehr als Gefahr für die USA auf. Und Anfang März unterzeichneten die USA nach der alljährlichen Afghanistandebatte im UN-Sicherheitsrat nicht mehr die Erklärung, dass die Taliban ihre frauenfeindlichen Gesetze zurücknehmen sollen.

Auch eine separate Erklärung, die den Antrag des Chefanklägers beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag auf Haftbefehle wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen den Taliban-Chef und seinen Obersten Richter Abdul Hakim Schari Hakkani unterstützt, unterzeichneten sie nicht.

Unbezahlte Rechnungen

Die Taliban forderten unterdessen die USA über Boehler auf, ihre Botschaft in Kabul wiederzueröffnen. Gleichzeitig „ersuchten“ sie darum, ihnen die afghanische Botschaft in Washington zu übergeben und dafür einen von ihnen ernannten Diplomaten zu akkreditieren. Die Botschaft war im Mai 2022 geschlossen worden, weil die noch von der alten Regierung ernannten Diplomaten die Rechnungen nicht mehr zahlen konnten.

Dass die USA Mitte voriger Woche Kabul zufolge das Kopfgeld auf Taliban-Innenminister Seradschuddin Hakkani strichen, der für den Tod vieler US-Soldaten in Afghanistan verantwortlich war, dürfte die Taliban-Führung in Kandahar allerdings eher beunruhigen. Hakkani hatte Taliban-Chef Achundsada wegen des weitreichenden Bildungsverbots für Mädchen mehrmals scharf kritisiert. Damit versuchen die USA eher, einen Keil in die Taliban zu treiben. Diese Maßnahme zeigt aber auch, dass es wohl noch keine eindeutige Afghanistan-Politik Trumps gibt – weder gegen noch mit den Taliban.

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