Bewohntes Welterbe: Sanfter Tourismus in Berliner Siedlungen
Die TU Berlin hat Konzepte für den Toursimus in den Berliner Werlterbe-Siedlungen entwickelt. Darunter ein spezieller Plan der Hufeisensiedlung für Blinde.
Die Berliner Unesco-Siedlungen sollen stärker touristisch erschlossen werden, ohne dass die Lebensqualität der Anwohner geschmälert wird. Dies geht aus den Tourismuskonzepten für die im Juli zum Unesco-Welterbe ernannten sechs Siedlungen der Berliner Moderne hervor, die am Sonntag vorgestellt wurden. "Wir müssen aufpassen, dass die Öffentlichkeit sich dort nicht wie auf der Museumsinsel benimmt", sagte Berhard Elias, Initiator der "Initiative Welterbe - Siedlungen der Berliner Moderne", in der sich die drei Eigentümergesellschaften der Wohnsiedlungen zusammengeschlossen haben.
Eine davon ist die Deutsche Wohnen AG, die seit Sonntag die Konzepte ausstellt. Sie tragen Namen wie "Bed and Bike" oder "Fassadenradler" und sollen Berliner und Touristen einen neuen Blick auf die sechs Siedlungen bieten. Denn sie sollen sich nicht in Informationstafeln und Führungen erschöpfen. Aufgrund der großen Entfernungen zwischen den Siedlungen wird es etwa auch organisierte Fahrradtouren geben.
Die Vorschläge wurden in Kooperation mit dem Institut für Architektur der Technischen Universität Berlin (TU) von Studenten erarbeitet. Sie enthalten auch spielerische Elemente, wie eine Bank, die sowohl als Informationssäule als auch als Fahrradständer dient.
Ein besonderer Augenmerk wurde nach Aussage von Klaus Zillich, Professor vom Institut für Architektur der TU und mitverantwortlich für die Konzeptausarbeitung, auf die Vereinbarkeit von Tourismus und Wohnqualität gelegt. "Es geht uns darum, touristisches Interesse zu wecken, dieses jedoch auch so zu kanalisieren, dass die Bewohner nicht gestört werden." Die Qualität der sechs Wohnsiedlungen sei auch durch die Ruhe dort entstanden. Diese gelte es für die Bewohner zu erhalten, so Zillich.
Ein zweiter Schwerpunkt der Ausstellung bildet die Präsentation eines Blindenstadtführers für die Hufeisensiedlung in Britz. Unter dem Motto "Wie erleben sehbehinderte Menschen die Hufeisensiedlung Britz?" werden Materialien präsentiert, die blinden Besuchern das Welterbe plastisch darstellen und deren Besonderheiten veranschaulichen. Sehbehinderte sollen sich vor Ort mit plastischen Plänen selbstständiger orientieren können. Einige Pläne liegen seit kurzem schon im Rathaus von Neukölln zur Ausleihe bereit.
Zu den nominierten Siedlungen gehören die Gartenstadt Falkenberg, die Hufeisensiedlung in Britz, die Reinickendorfer Weiße Stadt, Schillerpark im Wedding, Siemensstadt und die Siedlung Carl Legien in Prenzlauer Berg. "Vergleicht man die Wohnarchitektur der 20er-Jahre mit der der Nachkriegszeit, dominiert ein immenser Qualitätsunterschied", sagte Klaus Zillich von der TU Berlin. Architekten wie Bruno Taut hätten eine Lebensform jenseits vom Mief der Hinterhöfe geschaffen. Erstmals hatten Wohnungen eine Mindestgröße, Küche, Bad und ein Fenster.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!