■ Das Tribunal in Den Haag: Beweissicherung ohne Urteil
Das Tribunal in Den Haag wurde am 26. Mai 1993 vom UNO-Sicherheitsrat eingesetzt. Die elf Richter, darunter zwei Frauen, sind von der UNO-Vollversammlung gewählt. Präsident des Sondergerichts ist der Italiener Antonio Cassese, Chefankläger der Südafrikaner Richard Goldstone, dessen Amtszeit am 1. Oktober ausläuft. Aufgrund mangelhafter finanzieller Ausstattung durch die UN-Mitgliedstaaten konnte das Gericht erst im Sommer 1994 seine Tätigkeit aufnehmen.
Die Verfahrensregeln orientieren sich am anglikanischen Recht. Der Ankläger kann auf eigenes Betreiben hin Untersuchungen einleiten. Aber auch Regierungen, regierungsunabhängige Organisationen oder einzelne Zeugen können eine Untersuchung beantragen. Nationale und internationale Behörden sind verpflichtet, dem Ankläger bei der Sicherung von Beweisen zu helfen und mit dem Tribunal zu kooperieren. Wenn genügend Beweise vorliegen, wird die Anklage in der ersten Instanz einem Richter vorgelegt, der über eine Anklageerhebung entscheidet. Geschieht dies, wird ein entsprechender Haftbefehl an das jeweilige Land geschickt, um die gesuchte Person auszuliefern. Bislang haben weder Kroatien noch Serbien noch die bosnischen Serben und Kroaten mit dem Tribunal kooperiert. Lediglich die Regierung in Sarajevo hat drei Angeklagte überstellt.
In Abwesenheit des Angeklagten oder seines Vertreters darf das Gericht keinen Prozeß führen. Allerdings kann es nach Artikel 61 eine öffentliche Anhörung durchführen. Ziel dieser Beweissicherung ist die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls.gb
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