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Beweislage erhärtet

■ Zeuge „A“: Armeechef Mladić war bei Massenhinrichtungen anwesend

Den Haag (AFP/taz) – Der bosnisch-serbische Armeechef Ratko Mladić ist gestern vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal von einem Augenzeugen schwer belastet worden. Mladić „war bei Massenhinrichtungen dabei, die ich überlebt habe“, sagte der Muslim, der zu seinem eigenen Schutz nur „Zeuge A“ genannt wurde. Er war der erste Zeuge, der aussagte, er habe die Verbrechen des Generals mit eigenen Augen gesehen.

Vor dem Haager UN-Tribunal waren gestern vormittag überraschend zwei neue Verteidiger des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić erschienen. Das Gericht lehnte jedoch den Antrag der beiden US-amerikanischen Anwälte Edward Medvene und Thomas Hanley ab, die Anhörungen im Verhandlungssaal verfolgen zu dürfen. Sie wurden in den Zuhörerraum verwiesen. Gegenüber einem anderen Anwalt Karadžić', dem Serben Igor Pantelić, war das Gericht vor einigen Tagen genauso verfahren. Der gestrige Freitag war der letzte Tag der öffentlichen Beweisaufnahme gegen Karadžić und Mladić, die wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt sind. Im Verlauf der mehrtägigen Beweisaufnahme hatten zahlreiche Zeugen und Experten Karadžić und vor allem Mladić schwer belastet. Dabei ging es vor allem um Mladićs Rolle bei der Eroberung der UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995. Zwischen 3.000 und 8.000 Muslime sind dabei nach Überzeugung der Anklage von den bosnischen Serben umgebracht worden.

Experten des Haager Tribunals wollen morgen ein erstes Massengrab in der Umgebung von Srebrenica ausheben. Im Laufe der kommenden drei Monate werden nach Angaben des Tribunals weitere Massengräber ausgehoben.

Die internationale Gemeinschaft hat nach Auffassung des amtierenden OSZE-Präsidenten Flavio Cotti bislang nicht genug gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Karadžić unternommen. Wenn Karadžić nicht vollständig von der Macht entfernt und vor Gericht gestellt werde, dann drohe ein Scheitern der Bosnien-Wahlen, sagte Cotti gestern zu Beginn der Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Stockholm. „Die Tatsache, daß mutmaßliche Kriegsverbrecher vom Schlage Karadžić direkt oder indirekt die politische Entwicklung in Bosnien- Herzegowina beeinflussen, ist meines Erachtens eines der größten Hindernisse“ bei der Umsetzung des Dayton-Abkommens, sagte der Schweizer Außenminister Cotti. Es sei Sache der internationalen Gemeinschaft und der Ifor, ein Scheitern des Dayton-Abkommens zu verhindern. gb

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