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Bewegte Verstümmelung

■ „Dança Teatro Salvador“, ein Projekt des Sommertheaters

Am Anfang war Verzweiflung: Denn die Anforderungen des portugiesischen Choreographen João Fiadeiro entpuppten sich als sehr ungewohnt für den brasilianischen Tänzer Alexandre Franc. Statt Anleitung war Improvisationsfähigkeit gefragt. So schrieb er seine Lebenserinnerungen auf, deren fragmentierte Form eine Grundlage des Projektes Dança Teatro Salvador bildeten. Ergänzt mit Beobachtungen aus der Moloch-Metropole Salvador, persönlichen Texten und Improvisationen entstand so die erste eigene Sommertheater Produktion „Recentes Desejos Mutilados“ (Letzte verstümmelte Begierden).

Doch davor lag ein dornenreicher Weg. Nach langwierigen Verhandlungen gelang es Sommertheaterleiter Dieter Jaenicke Lisboa, 1994 Kultur-Hauptstadt Europas, und das „Centro Cultural de Belém“ in Lissabon als Koproduzenten zu gewinnen, um so wenigstens das finanzielle Problem zu lösen. Als es dann endlich losgehen sollte, verhielten sich plötzlich die Partner in Salvador zurückhaltend: Die Zusage kam zu überraschend.

„Auch organisatorisch war es unheimlich schwer in einer 3. Welt Metropole wie Salvador zu arbeiten“, beklagte Jaenicke. Immerhin gab es ein Tanzstudio, durchaus keine Selbstverständlich-keit in Brasilien. Auch zwischenmenschlich galt es Hürden zu überwinden: „Ich hatte am Anfang große Angst, man hätte Vorurteile gegen uns, doch diese Angst war nach zwei Wochen vorbei“, erzählt Fiadeiro.

Für die brasilianischen Tänzer sei es zunächst problematisch gewesen, keine klaren choreografischen Vorgaben zu erhalten. Fiadeiro verlangte, daß sie erst einmal selbst zu dem Thema fänden. So gab es schon Schwierigkeiten ins Gespräch zu kommen. Fiadeiro: „Ich sagte eines Tages, daß wir über die Augen sprechen müssen. 15 Minuten sagte keiner ein Wort. Dann fragte ich einen Musiker, ob er denn eine Meinung hätte, und er anwortete: „Natürlich habe ich was zu sagen“, und redete eine halbe Stunde.“

ach

Sa-Mi, 21.30 Uhr, Halle 2

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