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Betrunkene auf dem FahrradNeue Grenzwerte gefordert

Während Autofahrer schon ab 0,5 Promille um ihren Führerschein zittern müssen, liegt der Grenzwert für Radfahrer bei 1,6 Promille. Das soll sich ändern.

Die Grenzwerte für Alkohol sollen für Fahrradfahrer strenger werden. Bild: dpa

HANNOVER dpa | Für Deutschlands Radfahrer soll nach dem Willen der Innenminister künftig eine deutlich niedrigere Promillegrenze gelten. „Mit dem gültigen Grenzwert von 1,6 Promille kann niemand sicher auf zwei Rädern unterwegs sein“, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius (SPD) in Hannover.

Am Mittwoch beginnt in der niedersächsischen Landeshauptstadt das Frühjahrstreffen der Innenminister (IMK). Dabei wollen die Ressortchefs den Verkehrs- und Justizministern „ernsthaft“ die Senkung der Promillegrenze ans Herz legen.

Anlass für die Debatte sind laut Pistorius bundesweit besorgniserregende Zahlen über Radler-Unfälle. 2011 verunglückten nach Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) 3.725 Radfahrer nach dem Konsum von Alkohol.

Damit standen rund 5 Prozent aller insgesamt verunglückten Zweiradfahrer unter Alkoholeinfluss. Die Zahl der unter Alkoholeinfluss getöteten Radfahrer geht aus der Statistik nicht direkt hervor.

Der ADFC plädiert dafür, den Richtwert für Radfahrer mit 1,1 Promille dem der absoluten Fahruntüchtigkeit für Autofahrer anzupassen. Allerdings gelte weiter: „Räder sind leichter zu fahren als Autos“, sagte ADFC-Sprecher René Filippek. Daher könne man nicht automatisch die Grenzwerte für Auto- und Radfahrer gleichsetzen.

Bislang dürfen Radfahrer im Gegensatz zu Autofahrern bis zu einem Wert von 1,6 Promille Alkohol im Blut straffrei radeln – vorausgesetzt, dass sie weder mit einer unsicheren Fahrweise auffallen noch einen Unfall bauen.

Autofahrern drohen dagegen schon ab einem Promillewert von 0,5 ein Bußgeld, Punkte und ein Fahrverbot. Falls sie alkoholbedingte Ausfälle zeigen, gilt dies sogar ab 0,3 Promille.

Niedersachsens Innenminister Pistorius wollte sich vor der IMK nicht dazu äußern, wo die Grenze für Radfahrer gezogen werden sollte. „An der Zahl sollen wir uns ohnehin nicht alleine festbeißen. Es geht vielmehr um die gefährliche Meinung, dass Alkohol am Fahrradlenker weniger gefährlich ist als am Steuer“, sagte der SPD-Politiker.

Viele Menschen in Deutschland würden nach Alkoholkonsum das Auto stehen lassen, aber zu „sorglos auf das Fahrrad steigen“. Zwar sei die direkte Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer durch betrunkene Radfahrer geringer als durch Autofahrer – die Selbstgefährdung sei dafür aber umso höher.

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16 Kommentare

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  • M
    Mikki_83

    Aus meiner Sicht eine (weitere) massive Einschränkung des Persönlichkeitsrechts. Strengen Auflagen beim Gebrauch eines KFZ stimme ich hinsichtlich der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer absolut zu. Wenn ich mich allerdings mit dem Fahrrad verletze ist das - wie bei vielen anderen Dingen - meine ureigenste persönliche Angelegenheit. Oder wollen wir jetzt z. B. gefährliche Sportarten in Zukunft auch unter Strafe stellen ? Kann ja auch etwas passieren ... Diese Gängelung und Vorbemundung durch diese übermotivierten Politiker ist schlichtweg nicht mehr auszuhalten. Prohibition wäre dann wesentlich angesagter, aber da bricht ja ein riesiger Markt mit nicht zu unterschätzenden Einnahmen für das Staatssäckel weg. Eine Heuchlerei ohne Ende und immer wird das Problem auf Bürgers Rücken verlagert, statt es an der Wurzel zu packen.

  • L
    Lina

    Und was bietet er als Alternative für den Heimweg an? Alleine heim laufen?

    Ich als junge Frau fühle mich mit 1,6 Promille nachts auf dem Rad eindeutig sicherer als zu Fuß.

    Das Risiko betrunken zu fahren kenne ich, aber die eigentliche Gefahr ist doch nicht, zu fallen (= aufgeschrammtes Knie) sondern der Verkehr (=nachts in der Stadt auch gerne bei 60 km/h)

    Der Herr Minister solle sich überlegen, wem er mit dieser Änderung schadet, denn vielen Menschen nimmt er dadurch die Möglichkeit nachts nach Hause zu kommen.

  • H
    Hanno

    Ich finde ja was in der Debatte völlig zu kurz kommt: Was sind denn die Alternativen und was bedeutet das für Jugendliche in ländlichen Regionen?

     

    Also wenn jemand mit hohem Alkoholspiegel statt einer gut ausgebauten Busverbindung das Fahrrad bevorzugt ist das ein unnötiges Risiko. Was ist aber wenn es keinen ÖPNV gibt?

     

    Die Debatte muss zusammen mit der Frage geführt werden, wie gut die Nachtbusverbindungen zu Diskotheken etc. sind.

  • F
    Fridolin

    Was mich als Radfahrer täglich gefährdet, sind Autofahrer, die mich fast auf Tuchfühlung überholen; die mich fast übersehen, weil sie am Steuer telefonieren, mir beim Rechtsabbiegen die Vorfahrt nehmen, noch eben bei Rot durchrasen oder so blöd parken, daß ich in den links fließenden Verkehr ausweichen muß. (Von den Abgasschwaden, die ich täglich zwei Stunden einatmen muß, mal ganz abgesehen!)

    Wenn ich nachts nach der Kneipentour mit (noch) ganz legalen 1,6 Promille im Blut über kleine Nebenstraßen nach Hause radle, fühle ich mich weitaus weniger gefährdet!

    Wieviele betrunkene Radfahrer haben im letzten Jahr Unfälle verursacht bzw. sind selbst verunglückt? Wie viele Radfahrer sind durch unachtsame Autofahrer zu Schaden oder gar zu Tode gekommen, wie oft war Alkohol im Spiel? Zahlen bitte!

  • VD
    @von Deregulierung - Überregulierung:

    Aber die Schafe blöken eben immer nur ein bißchen und trotten dann weiter wie erwünscht. Und so wird es auch bleiben.

  • C
    Christoph

    Vielleicht sollten sich die Verkehrsminister mal überlegen, was sie sonst noch für Radfahrer tun können, bevor verboten und beschränkt wird. Zum Beispiel bei der Infrastruktur: Trennung von Fahrrad- und Autowegen, Sanierung von Fahrradwegen, Fahrradstreifen... die Beispiele sind ja alle da und in Sachen Sicherheit durchaus untermauert.

     

    Achso, das kostet ja Geld. Und könnte Autofahrer stören.

  • MG
    Matthias G.

    Also ich bevorzuge das Fahrrad. Ist der Abend all zu schlimm ausgeartet kann man schieben und sich am Rad sogar noch festhalten. *g*

     

    Lieber Staat. Zwing mich bitte nicht dazu besoffen mein Auto zu schieben.

  • D
    Deregulierung - Überregulierung

    Klar, in Zeiten wo die deregulierten Finanzimperien ganze Staaten in den Ruin spekulieren ist es UNBEDINGT wichtig über Radfahrer zu diskutieren.

     

    Ich meine das noch nicht mal ironisch. Es ist aus der Sicht der Machthaber tatsächlich so. (Und mit "Machthaber" meine ich jetzt nicht die Regierung ;-) gell?) Es ist wichtig, dass die Themen Sozialabbau und Finanzmarktregulierung aus dem Wahlkampf herausgehalten werden. Das geht am besten, wenn man das Wahlvieh über seine Lieblingsfeinde debattieren lässt: Fahrradfahrer, Einwanderer, Pädofile...

     

    Ich erinnere mich noch gut an den Tag, als in Berlin zum ersten Mal das volle Ausmaß des AUBIS Bankenskandals in der Presse bekannt wurde. Da hab ich nachmittags am Mehringdamm Polizisten gesehen, die haben Fahrradfahrer auf dem Radweg angehalten, die Fahrräder umgedreht und gaaaaaaaanz genau hingeschaut, ob da auch wirklich auch tatsächlich alle StVO-Regeln gaaaaaaaaanz genau eingehalten werden. Wichtig! Grins...

  • SM
    Stephan Mirwalt

    Lieber betrunkene Radfahrer als nüchterne Autofahrer.

     

    Ich fahre auch nur mit dem Fahrrad und empfinde gegenüber den Autofahrern nichts als Verachtung.

  • K
    KlausK

    Ganz klar: Promillegrenze runter, außer für Fußgänger.

    Das hat m. E. mit Schikane nichts zu tun.

     

    @Hans:

    Auch Radfahrer können schlimme Unfälle verursachen. Dazu müssen sie nicht einmal betrunken sein.

  • RR
    Rolf Rolfmann

    Ich finde, auch Fußgänger sollten ab einer Promillegrenze von 0,2 in den Knast wandern, und zwar für mindestens 2 Jahre!

  • T
    tee

    nagut dann werde ich wohl ab jetzt betrunken ins auto steigen, wenn ich auf dem fahrrad die gleichen strafen zu erwarten habe. dann bin ich wenigstens schneller zu hause

     

    herr schmeiß hirn vom himmel

  • AS
    Autos sind keine Waffe

    "Viele Menschen in Deutschland würden nach Alkoholkonsum das Auto stehen lassen, aber zu „sorglos auf das Fahrrad steigen“"

     

    Darüber sollte man doch eigentlich froh sein. Wenn die Strafen gleich sind und/oder der Promillewert nahe beieinander liegen, kann es ja auch sein, dass wieder mehr Leute betrunken Auto fahren.

  • H
    hans

    Jedes Jahr werden Tausende von Autos getötet und Radfahrer werden gegängelt. Das ist abstoßend feige und dumm. Noch nie ist jemand anderes durch einen betrunkenen Radfahrer getötet worden. Es ist eine Schande wie in dieser Situation Radfahrer immer mehr schikaniert werden durch höhere Strafen, mehr Verbote etc. Fahrraddemos sind nötiger denn je, irgendwann reicht es.

  • G
    Gonzi

    Mir schwant Schlimmes, danach sind Fußgänger dran...

  • T
    T.V.

    Danke lieber Staat, daß du dich so um meine Selbstgefährdung sorgst. Aber glaub mir mal, daß ich weit mehr gefährdet bin, wenn du mich als Arbeitsloser zur Sklavenarbeit zwingst und deinen unsozialen Kapitalismus auch an anderen Stellen raushängen lässt. Danke für Nichts.