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Betrug aus NigeriaBitte überweisen Sie jetzt

Mit der Überweisung einer kleinen Summe nach Nigeria hoffte eine Deutsche, das große Geld zu machen. Über 350 000 Dollar verlor sie dabei.

Metropole Lagos. Bild: dpa

LAGOS taz Die vor dem Gerichtsgebäude ausgebrochene Harmonie scheint Frieda Springer-Beck gerne zu stören. Mit einem leicht amüsierten Lächeln um die Lippen geht die 58-jährige auf den Angeklagten Adi Bendel zu und gibt ihm - in ihrem vom Mittelfränkischen gefärbten Englisch - zu verstehen, er sei "ein Ganove", und das wisse er selbst am besten. "Ich traue dir erst, wenn du das Geld überwiesen hast."

YAHOO BOYS

2002 wurde bekannt, dass zwei Nigerianer eine brasilianische Bank um 190 Millionen Dollar betrogen hatten - einer der größten Betrugsfälle, der je an die Öffentlichkeit gedrungen ist. Der Haupttäter Emmanuel Nwude hatte von seinem Anteil auch noch für 10 Millionen Dollar Aktien bei der nigerianischen Union Bank gekauft hatte - was ihm automatisch einen Sitz im Aufsichtsrat einbrachte.

Trickbetrüger in Nigeria werden wegen der von ihnen bevorzugten Domain "Yahoo Boys" genannt, Filme und Songs feiern sie. Heutzutage geben sie sich jedoch schon mit mehreren hunderten Dollar Beute zufrieden. Das ist vor allem das Verdienst der 2003 gegründeten Kommission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (EFCC). Nach eigenen Angaben hat sie durch Betrug und Korruption erlangte 4,2 Milliarden Dollar an die rechtmäßigen Eigentümer zurückerstattet.

Mit schwarz gefärbten Haaren, einer schmalen Brille und ihrer freundlich-melodischen Stimme wirkt Frieda Springer-Beck ein bisschen wie eine junggebliebene Großmutter, nicht aber wie eine Frau, die Verbrecher jagt. Wenn es Strom gibt in ihrem Haus, hört sie gerne Klassische Musik und strickt dazu an einem Pullover für einen ihrer Enkel in Deutschland. Menschen wie Adi Bendel bringen sie nicht mehraus der Ruhe.

Beim Interview im Gefängnis wird Adi Bendel später erzählen, dass er seine Opfer zwischen drei und fünf Millionen US-Dollar gekostet hat. In Lagos ist er bekannt als einer der Trickbetrüger, die am meisten mit 419-Vergehen verdient haben. Diese Bezeichnung verdankt ihren Ursprung der Nummer des Betrugsparagraphen im nigerianischen Strafgesetzbuch.

Adi Bendel schickte Briefe und Faxe an Geschäftsleute in Europa und den USA, in denen er sich als Angestellter der nigerianischen Zentralbank ausgab, der exorbitante Summen, zumeist aus dem Regierungsetat gestohlen, auf ein westliches Konto in Sicherheit bringen wollte. "Wenn die Leute angebissen haben,", erzählt er ganz sachlich, "haben wir uns immer neue Probleme ausgedacht, warum wir mehr Geld brauchen. Bis die Leute keines mehr hatten."

Laut der Anklageschrift des Strafverfahrens, das heute vor dem Gericht in Ikeja, einem Vorort der größten nigerianischen Stadt Lagos, verhandelt wird, hat Adi Bendel den pensionierten ägyptischen General Ali Attia um etwas mehr als 200 000 US-Dollar erleichtert.

Nun, mehr als fünf Jahre später, treffen sich Adi Bendel und General Ali erstmals wieder. Um als Hauptbelastungszeuge im Verfahren gegen Bendel auftreten zu können, ist General Ali nach Nigeria gekommen. Doch vor dem Gericht in Ikeja trifft er auf einen geläuterten Angeklagten. Bendel zeigt sich mitfreundlichen und sanften Augen. In seiner Stimme liegt soviel Verständnis, dass an ihm ein Sozialarbeiter in einem ost-deutschen Jugendzentrum verloren gegangen ist.

Die Kunde von Adi Bendels erstaunlicher Wandlung ist ihm bereits vorausgeeilt. In seiner fast fünfjährigen Haftzeit ist Bendel Pastor von "The Gospel of Jesus Christ" geworden. Im Hof des Kiri-Kiri-Hochsicherheitsgefängnisses von Lagos, wo er einsitzt, hat er von seinem Geld eine Kirche für 5000 Besucher bauen lassen, genannt "Die Kapelle der Freiheit", und missioniert nun unter den Strafgefangenen.

Zum Gericht in Ikeja kommt Adi Bendel in kurzen Hosen und frisch geduscht. Wortlos hört er sich die Vorwürfe von General Ali an, der ihm vor allem übel genommen hat, dass er sich ihm fälschlicherweise als Muslim vorgestellt hat. Adi Bendel versichert ihm jedoch, dass er seine Fehler bereue. Darauf umarmen sich die beiden versöhnlich, und der General gibt das feierliche Versprechen, dass, sollte er sein Geld zurückbekommen, er einen Teil davon in Nigeria investieren wird - was wiederum die Intervention von Frieda Springer-Beck betreffs "des Ganoven" ausgelöst hat.

Das ist das täglich Brot von Frieda Springer-Beck. Zu einem Großteil besteht es schlicht daraus nach Ikeja zu fahren, um sjahrelang hinschleppende Gerichtsverfahren gegen nigerianische Trickbetrüger durch die notorisch korrupte Justiz des Landes voran zu treiben.

Sie tut das für die nigerianische Komission zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität (EFCC), eine im Frühjahr 2003 ursprünglich auf Druck der USA gegründete Behörde, die die Geldströme durch Nigeria kontrollieren sollte. Und, je nachdem wie der Leiter das EFFC-Mandat auslegt, auch gegen Korruption und die Trickbetrüger vorgehen soll, die dem Ansehen Nigerias im Ausland schwer geschadet haben.

Frieda Springer-Becks Aufgabenbereich bei der EFCC ist äußerst unorthodox. Sie hat ein Büro auf dem Gelände der Behörde in der Innenstadt von Lagos, ist voll in ihren Arbeitsbetrieb integriert und bekommt Auto und Haus von dort gestellt. Aber, da sie weder ausgebildete Polizistin oder Juristin noch nigerianische Staatsangehörige ist, kann sie keine offizielle Funktion innehaben.

Oft ist sie erste Ansprechpartnerin für 419-Geschädigte aus dem Westen, die versuchen ihr Geld auf dem Gerichtsweg zurückzufordern. Für sie ist Springer-Beck Ermittlerin, Gerichtsbeobachterin, Herbergsmutter und manchmal auch Seelentrösterin. Im Erfolgsfall verlangt sie zehn Prozent der zurückgezahlten Summe. Dafür regelt sie alles in Nigeria und bringt die Geschädigten in einem ihrer eigens dafür vorgesehenen Gästezimmer in ihrem Haus unter.

"Frieda ist für diese Aufgabe ideal, da sie selbst betroffen war.", sagt der Chef der EFCC in Lagos Ibrahim Lamorde. Springer-Beck tappte 1993 selbst in die Falle des nigerianischen Trickbetrügers Fred Ajudua. Gerichtsakten und Medienberichten zufolge war er in der ersten Hälfte der 90er Jahre so etwas wie der Pate der nigerianischen 419er.

Noch heute, wenn Sie von ihrem eigenen Fall erzählt, benutzt sie Worte wie "ich dummes Mädchen" und "ich Rindvieh" und schüttelt dabei mit dem Kopf: "Wenn man die erste Zahlung gemacht hat, ist man verloren. Von da an rennt man dem Geld nach und wirft lieber noch welches hinterher als sich den ursprünglichen Verlust einzugestehen."

Sie war damals Geschäftsführerin einer Pinselfabrik im mittelfränkischen Bechhofen und bekam eines Tages einen Brief, dass niemand den Gewinn einer Investition ihres verstorbenen Mannes in einem Staudamm im Norden Nigerias eingefordert habe. Sie informierte sich, versuchte die Angaben zu überprüfen so gut es ging und zahlte schließlich in drei Raten mehr als 350 000 US-Dollar fiktive Anwaltshonorare, die die Schreiberin angeblich benötigte, um die mehr als 20 Millionen Dollar, die ihr zustanden, nach Deutschland zu überweisen. Als nach mehreren Monaten immer noch nichts passierte, fiel ihr auf, dass sie betrogen worden war.

Doch sie wollte den Verlust ihres Geldes nicht hinnehmen und flog 1993 nach Lagos, um Ajudua zur Rede zu stellen. Sie verschaffte sich Zugang zu einer privaten Esseneinladung Ajuduas, bei dem laut Springer-Beck auch der gerade geschasste Chef der Militär-Junta Ibrahim Babingida anwesend war, und sagte Ajudua unter Tränen: "Es gibt hier zwei Möglichkeiten: Entweder Sie bringen mich um, oder ich werde einen Weg finden, dass Sie mich nie vergessen werden." Sie sei damals so verzweifelt gewesen, sagt sie heute, dass sie sich beinahe aus dem Fenster ihres Hotelzimmers gestürzt hätte.

Die Blütezeit der Trickbetrüger war damals fast vorbei: Noch Anfang der Neunziger hatte Ajudua fast eine ganze Generation von Polizisten eingekauft und bewegte sich nur im Polizeikonvoi durch Lagos. Doch im Sommer 93 wurde die Regierung von General Babingida gestürzt und bald darauf ging Ajudua zum ersten Mal ins Gefängnis. 1998 gelang Nigeria schließlich der Übergang zur Demokratie. Bis heute ist Ajudua allerdings nicht rechtskräftig verurteilt und konnte, auf Kaution freigelassen, aus Nigeria fliehen.

Frieda Springer-Beck hatte damals nicht nur eine Menge Geld verloren, sondern stand bald auch vor dem finanziellen Ruin. "Die 300 000 Dollar kamen natürlich aus der Firmenkasse", sagt sie, "und weil das Finanzamt die Summe als Privatdarlehen an mich interpretierte, musste ich sie zurückzahlen." Springer-Beck gründete die Internationale Interessengemeinschaft Nigeria e.V., die Betrugsopfern helfen sollte.

Durch die Zinsen war ihre Steuerschuld immer größer geworden. Irgendwann lief ein Haftbefehl auf ihren Namen, und sie sah keine andere Wahl mehr als aus Deutschland zu verschwinden. Mit 5000 Dollar in der Tasche landete Frieda Springer-Beck im Herbst 2002 also endgültig in Nigeria. Bis dahin war sie bereits 52 mal hin und her geflogen. "Ich musste ohnehin immer mehr Zeit für meinen Fall in Nigeria aufwenden. Deshalb war die logische Konsequenz dorthin zu gehen."

In den ersten Jahren verdiente Springer-Beck ihrGeld mit einem Café im Bankenviertel von Lagos, aber als dann 2003 die EFFC gegründet wurde, fragte sie der damalige Vorsitzende Nuhu Ribadu, ob sie sich nicht anschließen wolle.

2005 hat Ajudua den Großteil ihres "Anwaltshonorars" zurückgezahlt. Der Haftbefehl in Deutschland ist aufgehoben und die Steuerschulden sind abbezahlt. Nun könnte Frieda Springer-Beck in ihr Heimatland zurückkehren. Aber das will sie nicht. Noch nicht. "Vielleicht in zwei Jahren.", sagt sie und fügt gleich hinzu: "Ich habe hier eine Menge Zeit investiert und eine Menge Geld. Es wäre dumm jetzt zu gehen, wo sich so langsam die Erfolge einstellen."

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