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Betroffenheitsprosa

■ betr.: LeserInnenbriefe: „Das sind wir ihm schuldig“, taz vom 21. 6. 96

Die gemeine Replik eines gewissen Bov Bjerg auf gewisse veröffentlichte Trauerbekundungen, dazu der Schwall Entrüstungen in der taz zeigt auf ermunternde Weise immerhin, daß Öffentlichkeit „funktioniert“ (wenn auch anders, als mancher sich denkt):

Wer sich mit seinem Privatesten (Trauer) ins Offene begibt, hat wohl auf einen vermeintlichen moralischen Konsens dort vertraut und – sich geschnitten. Hat wohl unterschätzt, wie viele gehässige Mäuler dort warten, sich dieselben zu zerreissen.

Bov Bjerg, dem man zumindest bescheinigen kann, daß er genau hinliest, setzt darauf, daß heute die „linke Öffentlichkeit“ mehr zu Gemeinheiten denn zur Gemeinde taugt. Scheint so. Es zeigt sich aber auch, auf schön verzwickte Weise, daß political correctness selbst wieder störend sein kann.

An zweierlei reibt sich der Traueranzeigenkritiker: an der Blauäugigkeit, mit der auf Konsens und „Wir-Gefühl“ vertraut wird (Erich Fried als neues Neues Testament). Geschenkt. Ihn empört aber auch der riskante Versuch, Privates als Politikum zu setzen. Das kann nicht jeder ertragen ...

Mit ungleich größerem Erfolg versuchte das weiland Barbara Sichtermann, als sie ihre Muttererlebnisse mit (wenn ich mich nicht irre) Baby Daniel veröffentlichte und damit einen Leitfaden für eine Generation von Kleinkindinhabern schrieb.

Heute berichtet mann/frau über Sabbel, Saft und Windeln, wohl wissend, daß das Thema nach wie vor Massen von Lesern am Arsch vorbeigeht, mit etwas (Selbst-)Ironie, wie neulich Frau Rönneburg. Lese ich gern, sowas. Waldo Ellwanger, Berlin

Vielen Dank für den Abdruck all dieser faszinierenden Zeugnisse des Leserwillens. Ich habe herzlich gelacht über all die Betroffenheitsprosa. (Vielleicht sollte Gabriele Goettle einmal über die an die taz gerichteten Leserbriefe schreiben.) [...] Axel Harneit-Sievers, Hamburg

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