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Betroffenheit und schwere Vorwürfe

■ Politiker und Parteien äußern sich zum Mord an Silvio M./ Polizei soll Zeugen gedrängt haben, Aussage zurückzunehmen

Berlin. Auf der Suche nach dem Mörder des Silvio M. fehlte der Polizei auch gestern noch eine heiße Spur. M. war in der Nacht zum Samstag im Friedrichshainer U-Bahnhof Samariterstraße von einer Gruppe Rechtsradikaler niedergestochen worden. Zwei seiner Begleiter wurden schwer verletzt.

Als „Schande“ bezeichnete der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen die Tat. Wichtig sei nun, daß aus dem Entsetzen eine Bewegung gegen Gewalt in allen Bevölkerungskreisen wachse. SPD-Vorsitzender Ditmar Staffelt sprach von einer „schrecklichen Eskalation der Gewalt“. Marion Seelig von der PDS erklärte, die anfängliche Darstellung des Geschehens als Auseinandersetzung rivalisierender Jugendbanden sei der Versuch, rechtsextremistische Gewalt zu verharmlosen und die Opfer zu Mittätern zu stempeln.

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei erhoben am Sonntag abend Angehörige und Freunde von Silvio M. Danach seien Mitarbeiter der ermittelnden Mordkommission am Sonntag mittag am Krankenbett des bei der Tat schwer verletzten Jörn F. erschienen und hätten ihn aufgefordert, seine Aussage zu den Tätern zurückzunehmen. Ein entsprechender Tonbandmitschnitt sollte, so eine Freundin Silvio M.s unter Berufung auf Jörn F., auf dem Trauermarsch vom Sonntag nachmittag wiedergegeben werden. F. hatte mehrfach ausgesagt, daß es sich bei den Angreifern um Rechtsradikale gehandelt habe. Die Polizei, die inzwischen 10.000 Mark Belohnung ausgesetzt hat, wies gestern diese Vorwürfe auf der Sitzung des Innenausschusses zurück. Die Mordkommission sei, so der stellvertretende Polizeipräsident Dieter Schenk, in der Tat am Krankenbett des Zeugen gewesen, aber lediglich, um mit einer Botschaft des Verletzten die Gemüter der Demonstranten zu beruhigen. Die anfänglichen Polizeimeldungen, in denen lediglich von einer Messerstecherei die Rede war, erklärte Schenk damit, daß die Verletzten zunächst nicht auf einen rechten Täterkreis hingewiesen hätten. Die Polizei verwahrte sich ebenfalls gegen den Vorwurf, sie sei zu spät am Tatort erschienen. Zwischen den Messerstichen und dem Eintreffen seien lediglich 12 Minuten vergangen. „Eine ungewöhnlich gute Eintreffzeit“, befand auch Innenstaatssekretär Armin Jäger. Eine Augenzeugin hatte demgegenüber der taz erklärt, sie sei auch noch zwanzig Minuten nach dem Geschehen am U-Bahnhof mit den Opfern alleine gewesen. Die Feuerwehr erklärte gestern, zwischen dem Eingang des Notrufes und dem Eintreffen des Rettungswagens um 0.07 Uhr seien lediglich fünf Minuten vergangen. Offen bleibt laut Feuerwehr aber, wieviel Zeit zwischen der ersten Information der BVG-Angestellten und dem Notruf an die Feuerwehr gelegen hatte.

In einem Flugblatt Friedrichshainer Besetzer heißt es unterdessen, jeder müsse sich selbst den Unterschied klarmachen zwischen Eiern auf Weizsäcker und Mordanschlägen gegen Andersdenkende und Andersaussehende. Der Ostberliner evangelische Pfarrer Hülsemann forderte die Kirche auf, sich stärker mit der wachsenden Brutalität auseinanderzusetzen. Mit Mördern könne er sich jedoch keine kirchliche Jugendarbeit vorstellen. Uwe Rada

(Siehe auch Seiten 5 und 11)

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