Betriebsvermögen in der Erbschaftssteuer: Reiche Erben bleiben verschont
Die Bundesregierung sieht keinen Reformbedarf bei der Erbschaftsteuer. Obwohl der wissenschaftliche Beirat des Finanzministeriums Missbrauch beklagt.
BERLIN taz | Einfach weiter wie bisher– so lautet das Motto der Bundesregierung in Sachen Erbschaftsteuer. Und das, obwohl Experten die bisherige Struktur zuletzt stark kritisiert haben: Der wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums bezeichnete die Verschonung von Betriebsvermögen in einem Gutachten von Anfang März als „volkswirtschaftlich kontraproduktiv“. Das unabhängige Expertengremium forderte, sie abzuschaffen.
In einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen, die der taz vorliegt, erklärt die Bundesregierung nun lapidar, sie teile „die Bedenken des wissenschaftlichen Beirats nicht“ und sehe „keinen Bedarf für grundlegende Änderungen des Erbschaftsteuerrechts“. Lisa Paus, Grünen-Ombudsfrau im Finanzausschuss des Bundestags, sagt: „Das Finanzministerium spielt auf Zeit. Die Regierung will nicht eingestehen, dass ihre Reform eine ungerechte Schlechterstellung von Privatvermögen bedeutet.“
Seit der Reform des Erbschaftsteuerrechtes unter der großen Koalition 2008 können Unternehmenserben ganz oder teilweise von Besteuerung ausgenommen werden. Damit soll verhindert werden, dass Familienunternehmen ins Ausland abwandern oder insolvent werden. Bedingung für eine Verschonung ist unter anderem, dass der Betrieb mehrere Jahre „im Kern“ weitergeführt wird, ohne dass Arbeitsplätze abgebaut oder die Löhne merklich gekürzt werden.
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat die Regelung seit 2009 ausgeweitet. Der wissenschaftliche Beirat kritisierte ihr Hauptargument: Es sei kaum belegbar, dass Arbeitsplätze eher erhalten blieben. Stattdessen lade die Ausnahmeregel dazu ein, alle Arten von Vermögen in passende Betriebsvermögen zu überführen.
Statistisches Material dazu, wie groß die Ausfälle sind, gebe es nicht. Thiess Büttner, stellvertretender Vorsitzender des Gutachtergremiums, hält es aber für realistisch, dass viele Vermögende die Option nutzen, da die Erbschaftsteuersätze mit bis zu 30 Prozent Eingangssteuersatz sehr hoch sind. „Das ist auch das Problem der zahlenden Betriebe – nicht die Erbschaftsteuer an sich.“
Büttners Gremienkollege Alfons Weichenrieder hält Arbeitsplatzverluste dadurch, dass ungeeignete Erben vorwiegend aus steuerlichen Gründen zu Unternehmern werden, zudem für die größere Gefahr. „Das Talent, ein Unternehmen zu führen, wird nicht automatisch mit vererbt“, sagt Weichenrieder.
Bewegung könnten nun höchstens noch Gerichte in die Debatte bringen: Der Bundesfinanzhof wird im Laufe des Jahres wahrscheinlich das Bundesverfassungsgericht prüfen lassen, ob verschiedene Vermögensarten unterschiedlich besteuert werden dürfen.
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