Betriebssystem Android: Google verliert den Überblick
Mittlerweile gibt es fast 4.000 verschiedene Mobilgeräte mit Googles Betriebssystem „Android“. Kunden haben so zwar mehr Auswahl, aber auch anfälligere Rechner.
BERLIN taz | OpenSignalMaps, eine US-Beratungsfirma, die sich eigentlich mit der Mobilfunknetzabdeckung in fünf großen Märkten weltweit beschäftigt, hat eine neue Studie vorgestellt, in der analysiert wird, wie viele verschiedene Modelle mit Googles populärem Android-Mobilbetriebssystem es mittlerweile gibt.
Die Antwort: Innerhalb von sechs Monaten wurden unter rund 700.000 insgesamt erfassten Geräten gut 4.000 unterschiedliche Smartphones und Tablets mit Android identifiziert. „Wir unterschieden nach Modell, Marke, Version von Android und Bildschirmgröße“, heißt es in der Studie. Dabei habe man allein 599 verschiedene Marken entdeckt. Klarer Gewinner sei Samsung mit insgesamt 270.000 Geräten gewesen, die in den sechs Monaten erfasst wurden.
Die 4.000 verschiedenen Modelle seien zwar einerseits ein Segen für die Auswahl der Kunden, schreiben die IT-Forscher, weil man sich mittlerweile Geräte mit 3D-Bildschirm, eingebautem Projektor oder zahlreichen Funknetzstandards kaufen könne, die mit der Google-Technik arbeiteten. Gleichzeitig komme es aber für Software-Entwickler zu dem Problem, dass sie ihre Programme mit sehr vielen verschiedenen Geräten testen müssten, um sicher zu gehen, dass sie auch so arbeiteten, wie sie sollten.
Ähnliches gilt für Updates von Android selbst: Diese kommen vergleichsweise langsam auf die Geräte, weil auch diese stets angepasst werden müssen. So hatte es zuletzt bei der jüngsten Android-Version 4.0 („Ice Cream Sandwich“) viele Monate gebraucht, bis selbst Markenhersteller aktualisierten. Diverse Anbieter bieten das Upgrade erst gar nicht an.
Sicherheitsexperten halten diese Politik für problematisch, weil dadurch Fehler und ausnutzbare Lücken im System erhalten bleiben, die von Datenschädlingen und Online-Gaunern verwendet werden könnten. „Als Android-Benutzer muss man hoffen, dass der Netzbetreiber für das konkrete Telefon-Modell ein geeignetes Update verteilt“, sagte Georg Wicherski vom Security-Start-up Crowdstrike im taz.de-Interview.
„Jeder Netzbetreiber ist selber dafür verantwortlich, Android-System-Updates in seinem Netz auszuliefern – und das für alle verschiedenen Telefone der verschiedenen Hersteller.“ Zudem hätten die Hersteller nur wenig Interesse an der Bereitstellung von System-Updates, weil sie in erster Linie neue Telefone verkaufen wollten.
Kampf gegen die „Fragmentierung“
Bei Google scheint man sich des Problems, das auch unter dem Fachbegriff „Fragmentierung“ läuft, mittlerweile bewusst zu sein. So will der Konzern einem Bericht des Wall Street Journal zufolge spätestens mit der nächsten Android-Version, die auf den Namen „Jelly Bean“ hören soll, mehr Geräte mit der hauseigenen Marke „Nexus“ auf den Markt bringen. Dabei will Google wieder mit externen Herstellern zusammenarbeiten wie etwa Samsung. Bis zu fünf Firmen sollten frühzeitig Zugriff auf „Jelly Bean“ erhalten, um möglichst schnell Smartphones und Tablets zu produzieren.
Gleichzeitig wolle Google sich auch selbst verstärkt um den Verkauf der „Nexus“-Geräte kümmern. Dies hatte bislang allerdings nicht besonders gut funktioniert – Smartphones wie „Nexus One“ von HTC sowie „Nexus S“ und „Galaxy Nexus“ von Samsung blieben hinter den Erwartungen zurück. Google besitzt zwar mittlerweile den Gerätehersteller Motorola, beteuert allerdings, dass man diesen nicht bevorzugen wolle.
Und Google kann gar nicht einfach die Zügel anziehen und Android-Geräte künftig nur noch von wenigen Herstellern bauen lassen – der grundlegende Code des Mobilbetriebssystems ist quelloffen und kann frei von Gerätebauern verwendet werden.
So gibt es insbesondere in China die unterschiedlichsten Implementationen von Android – zuletzt kündigte auch ein großer Internet-Portal-Anbieter sein eigenes System an, das gänzlich ohne Google-Programme auskommt. Der E-Commerce-Riese Amazon betreibt sein Tablet Kindle Fire ebenfalls mit einer Android-Version, die aber ebenfalls nahezu Google-frei ist. Bei „nur“ 4.000 verschiedenen Geräten dürfte es also nicht lange bleiben.
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