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Betr.: Wynton Marsalis

„Das Radikalste, was ein braunhäutiger Amerikaner tun kann, ist, nett auszusehen, gut gekleidet zu sein, gute Manieren zu haben und eine gute Ausbildung vorweisen zu können; das ist der gefährlichste Hurensohn in diesem Land“ – das Statement aus der Feder des afroamerikanischen Ästhetikers Albert Murray klingt wie ein Kurzporträt von Wynton Marsalis, dem 33jährigen absoluten Superhero der neueren Jazzgeschichte. Mit den „verirrten Patrouillen“ der aus den Sechzigern ererbten Avantgarde will ein Mann wie Marsalis nichts zu tun haben. Sein Programm in Kurzformeln: grauer Flanell versus Afrozentrismus, keine Opferschemata, keine Festlegung auf „schwarze“ Archetypik, statt dessen cleane, seriöse Kunstperformance. Mit dieser Strategie hat Marsalis nicht nur eine vielbeachtete Debatte über Vergangenheit und Zukunft des Jazz losgetreten, er hat es auch zum Artistic Director des New Yorker „Lincoln Center for the Performing Arts“ gebracht. Ein nicht zu unterschätzender Aufstieg, denn erstmals haben dadurch Afroamerikaner in der Geschiche amerikanischer Kulturinstitutionen das Sagen – und das gleich im renommiertesten Haus des New Yorker Bürgertums. Erst kürzlich hat Marsalis in einem grundlegenden Essay („Wynton Bites Back“) und einem Buch („Sweet swing blues on the road“) öffentliche Anfeindungen von Kritikern zurückgewiesen, die ihm Neokonservativismus, Arroganz und Seilschafterei vorwerfen. Er residiert derzeit im Apartmentkomplex des Lincoln Centers mit Konzertflügel und Panoramablick hoch über dem Big Apple. Nach fast sieben Jahren und etwa 900 Gigs löste er kürzlich sein Septett auf, die erfolgreichste und auftrittsintensivste amerikanische Jazzcombo der letzten Dekade. Seit kurzem ist er nun auch der Leiter des Lincoln-Center-Jazzorchesters, mit dem er jetzt auf Europatournee ist. Christian Broecking traf Marsalis in New York – in Jeans und T-Shirt zu „red beans and rice“. Foto: Lincoln Center Press Office

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