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LESERSERVICEBetr.: Glossar: Die wichtigsten Begriffe zum Thema Migration

■ Assimilation und Integration

Assimilation ist der Prozeß, in dem eine ethnische oder religiöse Gruppe, die mit einer anderen in „Kontakt“ tritt, ihre ursprünglichen Besonderheiten wie Sprache, Traditionen, Religion und Kleidung verliert und sich manchmal bis zur Unkenntlichkeit anpaßt. Unterscheiden lassen sich „kulturelle Assimilation“ (eine Gruppe übernimmt die kulturellen Muster des Gastlandes), „strukturelle Assimilation“ (viele Migranten schließen sich Vereinen, Gruppen und Kirchen an), „Verschmelzung“ oder „Amalgamation“ (häufige Heiraten zwischen Migranten und Einheimischen) und schließlich „Identifikation“ (Migranten entwickeln ein Gefühl der Gemeinschaft mit der Gastgesellschaft).

Nicht alle Migrantengruppen assimilieren sich im gleichen Tempo oder Ausmaß. Die Assimilation ist ein uneinheitlicher und auch reversibler Prozeß, der in vielen Einwanderungsländern mit der Bezeichnung „Integration“ beschönigt wird. Ein anderes – wissenschaftliches – Integrationskonzept geht allerdings davon aus, daß hier im Unterschied zur Assimilation ethnische Minderheiten und Zuwanderer Teil der Gastgesellschaft werden, ohne ihre ethnische Zugehörigkeit völlig zu verlieren.

Brain-Drain

Die Abwanderung hochqualifizierter Mediziner, Ingenieure und Wissenschaftler aus den Ländern des Südens in die Industrieländer wird als „Brain-Drain“ bezeichnet. In den sechziger Jahren galt diese Abwanderung als eine Form der Ausbeutung der Dritten Welt. Das Phänomen ist aber nicht auf Entwicklungsländer beschränkt. Es umfaßt auch die Emigration deutscher Juden ab 1933, unter anderem in die Vereinigten Staaten.

Diaspora und Exil

Mit „Diaspora“ ist die Zerstreuung von ethnischen oder religiösen Gruppen gemeint. Obwohl fast jede Staatsnation eine Auslandsgemeinde hat, bezeichnen nur wenige Völker die Ausgewanderten mit diesem Begriff. Juden, Armenier und Griechen benutzen diesen Ausdruck für sich, Italiener und Briten, Deutsche und Franzosen nicht. Warum? Vielleicht wegen der unterschiedlichen Vorstellung von der Geschichte der eigenen Ethnizität. Diejenigen, die sich eher auf eine „vertraglich geregelte“ historische Idee von nationaler Zusammengehörigkeit beziehen, sprechen von Auswanderung. Und jene, die Erinnerungen an gewaltsame Vertreibungen haben, von Exil.

Ethnische Gruppen

Ethnische Gruppen teilen Traditionen, Religion und Sprache sowie ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, welches häufig auf gemeinsame Herkunft (real oder imaginär) zurückgeführt wird.

Ghetto und Einwandererviertel

Mit „Ghetto“ wird besonders in den USA heute ein Stadtteil bezeichnet, in dem viele Menschen mit gleicher ethnischer und religiöser Herkunft relativ isoliert von der lokalen Mehrheit leben. Oft wird dieser Begriff mit einem Slum assoziiert und abschätzig benutzt. Wer dagegen von „Einwandererviertel“ spricht, betont Gemeinschaft und Solidarität zwischen Zuwanderern und Einheimischen.

Einwandererviertel entstehen, wenn Menschen zusammenleben, die dieselbe Sprache sprechen und der gleichen Kultur entstammen. Sie sind auch das Resultat von Migrationsketten, die Folge gemeinsamer beruflicher Tätigkeit oder niedriger Einkommen. Natürlich hängt der Zustand eines Einwandererviertels auch vom Immobilienmarkt, der Verkehrsanbindung und den Beschäftigungsmöglichkeiten ab. Einwandererviertel stärken oft die ethnische Zusammengehörigkeit. Ethnisches Kleingewerbe, Kultureinrichtungen, Kirchen oder Moscheen und politische Exilverbände entstehen.

Migrationsketten

Verwandte, Freunde und andere Dorfbewohner, die sich bereits im Ausland niedergelassen haben, ziehen weitere Migranten an, meist Angehörige. Die Entscheidung zu migrieren, Fragen der Ausreise, die Eingewöhnung im neuen Land, die Suche nach Arbeit und Wohnung, die Wahl eines Ehepartners und die Überweisung von Überschüssen in die Heimat scheinen nun nach den Regeln einer Kette zu verlaufen. In diesem Modell wird Migration als Prozeß verstanden und berücksichtigt, daß Migrationsketten oft mehrere Generationen umfassen.

Multikulturalismus

Eine Politik, die eine Beteiligung von Zuwanderern und ethnischen Minderheiten anstrebt, wird multikulturell genannt. Das Konzept für eine multikulturelle Gesellschaft fordert die Anerkennung kultureller Unterschiede und die Bewahrung von Eigenständigkeit, Respekt vor anderen Religionen und Traditionen. „Pluralismus“ gilt als grundlegendes Element einer multikulturellen Gesellschaft. Vor allem Kanada, Australien, die Niederlande und Skandinavien haben multikulturelle Politikansätze aufgegriffen.

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