: Betr.: El Salvador und das Waffenkonto der taz
„Waffen für das Volk in El Salvador“! Die Diskussion, ob die taz sich als Zeitung eine solche Forderung zu eigen machen und sie gar noch propagieren soll, ist so alt wie die taz.
Als die Sandinisten in Nicaragua gesiegt hatten, entstand die Idee, der Befreiungsbewegung in El Salvador zu helfen und zwar ganz explizit mit Geld für Waffenkäufe. Bis zum ganzseitigen Aufruf „Waffen für El Salvador“ auf der Titelseite der taz vom 3.November 1980 war dann noch ein langer Weg heißer taz-interner Diskussionen.
Damals hatte der Trägerverein „Freunde der alternativen Tageszeitung“ sich mit großer Mehrheit für die Kampagne ausgesprochen. Es war und blieb dann auch die einzige Kampagne dieser Art, mit der die taz selbst direkt Flagge gezeigt hat. Die taz war damals ein kleines Pflänzchen im Blätterwald. Die in der Diskussion Unterlegenen hatten mit dem Hinweis auf das sich abzeichnende Ende der K-Gruppen und das neue Bewußtsein der bundesdeutschen Linken 1980 noch geunkt, die paar Mark, die dieser Aufruf bringen könne, würden nicht einmal die Kosten für die Geldübermittlung einbringen.
Sie hatten geirrt.
Sechs Wochen nach Erscheinen des Aufrufes waren 443.000 Mark auf dem Konto. Die Geld-für-Waffen-Kampagne wurde zur erfolgreichsten Sammlung der Linken in der Bundesrepublik. Zehntausende aus dem gesamten linken, ja sogar dem liberalen Spektrum haben über Jahre hinweg ihr Schärflein dazu beigetragen. Bis heute sind es 4.082.225,70 Millionen Mark geworden. Die dafür eingewechselten Dollars sind stets direkt an die Beauftragten der FMLN übergeben worden. Die taz hat garantiert, daß kein Geld in einem Verwaltungsapparat verlorengeht. Sie hat die Quittungen der überreichten Geldbeträge veröffentlicht.
Das Waffenkonto ist immer wieder ins Gerede gekommen, außerhalb und innerhalb der taz. Berliner Senat, Bundestag und Bundesrat haben erwogen, dagegen vorzugehen - erfolglos. Aber auch in der Linken mehrten sich in den letzten Jahren kritische Stimmen. Erfahrungen mit Befreiungsbewegungen in Kambodscha oder im Iran schlugen durch. Das Waffenkonto aber überdauerte alle Angriffe, und der Geldeingang stieg sogar weiterhin an.
Seit der letzten Debatte in der taz im Frühjahr 1987 unter Überschriften wie „Die taz ist kein Zentralkomitee“ und „Den Mythos bewaffneter Befreiung abschaffen“ oder „Salvador muß überleben“ und „Noch mehr Waffen“ war es dann still geworden um die Sammlung. Die Gründe dafür: Die Lage in Mittelamerika war komplizierter geworden. Die Sandinisten verhandelten mit den Contras, die FMLN in El Salvador fordert den Dialog mit der Regierung. Flüchtlinge kehrten in die befreiten Gebiete zurück. „Waffen für das Volk in El Salvador“ schien an Bedeutung zu verlieren. Und dann ist Mittelamerika auch etwas aus dem Zentrum des Interesses gerückt, auch was die Berichterstattung in der taz anbetrifft. Vor allem aber arbeiteten die Leute, denen die finanzielle Unterstützung der FMLN politisch wichtig war und persönlich am Herzen lag, nicht mehr in der taz. Und - die taz ist anders geworden.
Den Leuten von den Solidaritätskomitees ist es zu danken, daß die Diskussion über das Waffenkonto neu entfacht ist. Zum letzten taz-Plenum am 21.Mai 1988 hatten sie einen Antrag vorbereitet, die taz solle doch bitteschön das Waffenkonto abgeben und auf einen von ihnen noch zu gründenden Trägerverein übertragen. Alle ihre Bemühungen, die Geldsammlung der taz wieder zu beleben, seien gescheitert. Politisch stehe die taz schon lange nicht mehr dahinter, das zeige auch ihre Berichterstattung zu Mittelamerika, argumentierten sie. Nur ein neuer Verein ohne den Namen der taz ermögliche eine breite neue Kampagne.
Der Vorschlag schien zunächst mehrheitsfähig. Entsprach er doch sowohl den Interessen derer, denen die Geldsammlung für Waffen schon immer ein Dorn im Auge gewesen war, als auch derer, die der taz auch das letzte bißchen linker Radikalität absprechen wollten. Auch die Leute, die aufgrund des breiten taz-internen Desinteresses am Waffenkonto dieses ein für allemal loswerden wollten, schienen zufrieden. Nach heftigen Diskussionen lehnte dennoch eine große Mehrheit des taz-Plenums den Vorschlag ab. Auch dafür waren die Gründe sehr unterschiedlich, ja gegensätzlich. Die einen wollten das Konto keinesfalls einer Soli-Bewegung geben, der sie schon immer mißtraut hatten, für andere war es eine Frage der Solidarität, taz-Nostalgie oder auch die Befürchtung, der taz könne die Aufgabe jeglicher kritischer Radikalität vorgeworfen werden. Viele hofften auch, über die Wiederbelebung des Waffenkontos einer Entwicklung der taz zu einer ganz normalen Zeitung gegensteuern zu können. Vor allem aber ist nicht zu übersehen, daß nur über das Medium taz gerade wegen des spezifischen, alternativen Images dieses Erfolgsprojektes so viel Geld zusammengebracht werden konnte.
Ein annähernd gleich gutes Sammlerergebnis scheint ohne Mitwirkung der taz ausgeschlossen. Immerhin sind ohne jedes Zutun der taz im vergangenen Jahr wieder fast 50.000 Mark zusammengekommen, ein Betrag, den so manche linke Sammlung insgesamt nie erreicht hat. Diejenigen in der taz, die der FMLN weiter möglichst wirksam helfen wollen, verhalfen dem Beschluß zur Mehrheit:
Die taz gibt das Konto nicht ab; wenn sich ein neuer Trägerkreis bildet, prüft die taz, ob sie das Konto abgeben will. Bis dahin soll das Konto wieder aktiviert werden. Diese zwei Seiten sind ein erster Schritt zur Aktivierung. Bis nach dem Sommer sollen 50.000 Dollar zusammenkommen. Die FMLN wartet darauf.
Übrigens zwei Frauen im Büro der taz werden sich ab jetzt um die Wiederbelebung des Kontos kümmern, es zu ihrem Anliegen machen.
Laevis
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