: Betr.: Buchrezension von "Die sieben Fräulein"
Gedichte kann ich mir nicht merken. Aber Reime. Einer meiner Lieblingsreime stammt aus einem Mini-Buch von Marie Marcks: „Ein Mädchen lebte in Aurich, das fand sie ziemlich schaurig.“ Und weiter geht es durch alle möglichen Städte inklusive dessen, was sich auf sie reimt. Ein einfacher Trick: Nicht die Dichterin erfindet eine Geschichte, sondern der Reim verlangt eine Fortsetzung und so ergibt sich eine Geschichte. Oder auch keine. Ich war immer neidisch, daß sich auf Trier kein nur halbwegs so schönes Wort reimt.
Irina Liebmann spielt dasselbe Spiel mit sieben Fräulein: Fräulein Klein, Fräulein Feh, Fräulein Fladen, Fräulein Klitze, Fräulein Woten, Fräulein Zacke, Fräulein Rischt. Die Fräulein bauen, lieben, träumen, tun und lassen — nein, nicht, was sie wollen, sondern was sich auf sie reimt. Die Macht der Sprache und nichts sonst zwingt Fräulein Zacke, mit Schlacke zu bauen, vom Gespenst im Sacke zu schreiben, die Backe zu schwenken, mit Hacke zu gehen, schwarze Tabake zu lieben, Lacke zu mischen, von Klacke (Fußnote: „Hier muß es natürlich Kracke heißen“) zu träumen und 'ne Macke zu haben. Gemein!
Die armen Fräulein: „Fräulein Klein hat Raucherbein. Fräulein Feh hat TBC ...“ usw. Das Sprachspiel endet tödlich. Nur eine überlebt die Übermacht des Reims: Fräulein Rischt. Die tut nämlich immer nischt und rächt sich am Ende. Schriftlich und in Versen, versteht sich.
Zu Irina Liebmanns giftigen Reimen hat Volker Pfüller ebenso giftiggelbe Krakelbilder gemalt. Ein Buch zum Weitergiften. Denn je gemeiner der Reim, desto größer der Reiz, meint Fräulein Peitz
Irina Liebmann, Volker Pfüller: Die sieben Fräulein, Altberliner Verlag 1990, 24 S., 4,20DM
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