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Beton wächst aus den Mietergärten

■ Bewohner der Westendallee befürchten vierstöckige Bauten im Hof

150 Mieter der Charlottenburger Westendallee Nummer 87 bis 91 schlafen nicht mehr ruhig. Zum 31. Oktober 1994 hat ihnen die „Präzisa Wohnanlagen GmbH“ im Auftrag der „Neuen Heilsberger Dreieck Immobiliengesellschaft“ die Mietverträge für die rückwärtigen Gärten zwischen der Bahntrasse und ihren Wohnbauten gekündigt. „Alle Einrichtungen“, so die Kündigung, die der taz vorliegt, müßten bis zu diesem Termin von den Gartengrundstücken „entfernt werden“.

Auf der 10.000 Quadratmeter großen Fläche sollen viergeschossige Neubauten für rund 100 luxuriöse Wohnungen entstehen, deren Volumen und Tiefgaragen den Anliegern Licht, Luft und alte Bäume rauben würde. „Es ist ein Skandal“, so eine Mieterin zur taz, „daß die Mietergärten einer offensichtlich schlechten Planung geopfert werden sollen.“ Nicht allein der Wert der bestehenden Reihenhäuser, auch die Wohnqualität der neuen Gebäude „direkt an der ICE-Trasse Berlin–Hamburg“ würde durch den zusätzlichen Beton, Lärm und die Strahlung der Oberleitungen erheblich gemindert.

Bis 1993 gehörte die Wohnanlage aus den 20er Jahren einem Immobilienableger der Dresdner Bank. Diese hatte bereits 1992 einen Bauvorantrag für die viergeschossige Bebauung auf den Gartenarealen gestellt – und dafür positiven Bescheid von der Charlottenburger Baubehörde erhalten. Das nun wertvolle Grundstück kaufte im Januar 1994 die „Neue Heilsberger“, eine Tochterfirma des Berliner Miethais Willi Bendzko. Der positive Bauvorbescheid gilt auch für Bendzko. Laut Götz Damrath, Prokurist bei der „Neuen Heilsberger“, sei weiterhin geplant, dort einhundert Wohnungen hochzuziehen.

Rechtsgrundlage der Teilkündigungen ist ein bis 1995 befristetes Bausondergesetz, das es erlaubt, leichter Mietwohnungen auf „nicht zum Wohnen genutzten Grundstücksflächen“ zu schaffen. Ursache der Regelung waren die sprunghaft gestiegenen Zahlen Wohnungssuchender nach dem Fall der Mauer, erklärte Claus Dyckhoff, SPD-Baustadtrat im Bezirk Charlottenburg. Im Falle der vorgesehenen Planung sei es zwar bedauerlich, daß die Grünflächen der Mieter „zur Hälfte“ verlorengingen. Dyckhoff weist aber jede Schuld von sich: Die viergeschossige Bebauung „hält sich an die vorgeschriebenen Richtlinien“. Auch der Abstand zwischen den Bauten würde eingehalten. Für die Nähe zu den Strahlen der Oberleitung fühlte sich der Baustadtrat nicht zuständig. Außerdem sei noch kein Bauantrag gestellt, sagte Dyckhoff. Der wiederum und die mögliche Baugenehmigung sind die Voraussetzungen für die Rechtswirksamkeit der Kündigungen. Rolf Lautenschläger

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