Beten in der Schule: Die Angst vor Allah
Weil ein muslimischer Schüler an seiner Schule beten darf, halten Kritiker die Fahne des Laizismus hoch. Geht es hier wirklich um das Neutralitätsgebot oder um den Islam?
Sie haben sich diesmal ein anderes, ein recht hübsches Wort ausgedacht: "Glaubensinseln". So nannte es am Dienstag die Berliner Schulbehörde, als sie ihre Prozessniederlage kommentierte. Ein 16-jähriger Muslim hatte geklagt, weil ihm verboten wurde, in der großen Pause in einer Ecke des Schulflurs zu beten.
"Glaubensinseln" sollen sich nun also bilden, wenn womöglich massenhaft fromme türkische Schüler auf ihrer ausgebreiteten Jacke gen Mekka knien. Man kann sich das getrost mit "Parallelgesellschaften" übersetzen: dem Kampfbegriff vor der ewigen Furcht, hierzulande könnte sich etwas unkontrolliert Nichtdeutsches ausbreiten, etwas Fremdes, Suspektes.
Dieser Reflex kommt immer dann aufs Tapet, wenn der Islam sich aus der Deckung wagt und reklamiert, sein zu dürfen, was er ist: eine Religion. Eine Religion, die man sinnstiftend finden kann oder reaktionär oder sie für Hokuspokus halten. Wie alle anderen Religionen eben auch. Der Islam ist aber in Deutschland keine Religion wie alle anderen.
Er ist für viele der Inbegriff von Überfremdung. Und deswegen wird er nur so lange toleriert, wie er möglichst unsichtbar bleibt. Wollen Muslime aber Moscheen bauen oder stellen Forderungen, dann schwallt ihnen regelmäßig ein wahlweise mit Frauenrechten oder, wie jetzt, einem munter zusammengerührten Kultur- und Verfassungspatriotismus getarnter Rassismus entgegen.
Erhellend ist da die Äußerung der Anwältin der Schulbehörde: Das islamische Gebet verlange "Elemente, die einen demonstrativen Charakter haben. Das ist beim christlichen Gebet vielleicht etwas anders." Es reicht den Muslimen also nicht, einfach nur hier zu sein. Sie zwingen uns auch noch, sie anzuschauen.
Eine säkulare Phalanx findet sich und bricht Lanzen für die "strikte politische, weltanschauliche und religiöse Neutralität" an Schulen, die "unbedingt" gewahrt werden müsse - wie es die Schulbehörde angemahnt hat. Schulen wohlgemerkt, in denen sich jeder Kreuze um den Hals hängen kann, so viel er oder sie will, wahlweise richtig oder falsch herum. Schulen auch, in denen Jugendoffiziere der Bundeswehr Werbung für den deutschen Afghanistan-Krieg machen dürfen - trotz "strikter weltanschaulicher Neutralität".
Andere, wie der Berliner Landeselternausschuss, fürchten "eine weitere Abnahme der bereits jetzt erkennbar nachlassenden Integrationsbereitschaft bei muslimischen Schülern".
Der grüne Berliner Bildungspolitiker Özcan Mutlu stößt in dasselbe Horn, wenn er kritisiert, dem Islam sei von den Richtern ein "Vorrecht für ein Gebet" zugesprochen worden - obwohl das Berliner Urteil den Islam mit keinem Wort über andere Religionen erhebt. Der Kläger war eben einfach ein Muslim.
Wieder andere schütteln den Kopf, dass die von Raumnot geplagten Schulen nun ausgerechnet Moslems Gebetsräume einrichten müssen - obwohl auch davon in dem Urteil kein Wort steht. Vielmehr wurde der Schüler verpflichtet, sich "in den organisatorischen Rahmen der Schule einzufügen" - und zwar störungsfrei. Mutlu geht gar so weit, Deutschland mit dem Mullah-Regime in Teheran zu vergleichen: Ihm sei "kein anderes Land außer dem Iran bekannt, das Gebetsräume an staatlichen Schulen vorsieht".
Die Berliner CDU beeilte sich dann auch gleich, eins klarzustellen: Wenn schon Gebetsräume, dann bitteschön für alle, Raumnot hin, Raumnot her. Dass das Interesse katholischer Schüler an Berliner Gymnasien, sich in der großen Pause für einen schnellen Rosenkranz niederzuknien, nicht sehr stark ausgeprägt sein dürfte - was solls.
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