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Archiv-Artikel

Besuch vom Inquisitor

AFFÄREN Überraschende Wendung im Fall des Altbischofs Mixa

Windelweich war die Erklärung, die der ehemalige Augsburger Bischof Walter Mixa am Mittwoch abgab. Hatte er zuvor kämpferisch seinen Rücktritt vom Rücktritt angekündigt, nahm er plötzlich alles zurück. Was war geschehen? Die Wahrheit weiß, was sich an jenem düsteren Morgen im katholischen Augsburg zutrug.

Kurz nach dem Angelusläuten klapperte im Morgengrauen des 23. Juni anno Domini 2010 eine schwarz ausgeschlagene Kutsche durch die engen Gassen von Augsburg und hielt schließlich vor dem bischöflichen Palais. Die schweigsamen Knechte, deren Gesichter unter Kapuzen verborgen waren, sprangen vom Wagen und halfen einem groß gewachsenen, dunkel gekleideten Herrn aus der Kutsche: Der Torquemada, seines Zeichens Großinquisitor des Heiligen Stuhls, war mit einem Spezialauftrag des Vatikans nach Bayern gereist.

Während die buckligen Schergen ächzend schwere, eisenbeschlagene Kisten vom Wagen luden, schritt der Torquemada an den entsetzten Bediensteten des Bischofs vorbei ins Palais, wo er zur Begrüßung seinen gewohnten Morgentrunk nahm, kaltes Hundeblut. Dann ließ er in der Stube sein Handwerkszeug ausbreiten: Daumenschrauben, Kelche für den Schwedentrunk, eine eiserne Jungfrau – all das Werkzeug für die Peinliche Befragung.

Der Torquemada hustete rau, als ihm der Altbischof vorgeführt wurde. Mixa erblasste. Der kalte Schweiß brach dem Emeritus aus, als der Torquemada seine engen Lederhandschuhe von den spitzen Fingern streifte und der Ring aufblitzte: Das Wappen des Papstes, schoss es Mixa durch den Kopf. Eine Sekunde lang dachte er, dass er noch im Bett liege und sich in einem Alptraum befinde, nach dem schweren, aber süffigen Rioja, den er gestern Abend Glas um Glas weggezogen hatte. Ach, dieser herrliche spanische Rotwein, wummerte es im Augsburger, doch die iberische Erinnerung brachte ihm auch schon wieder die Inquisition in Gestalt des Torquemada vor Augen, der seine Folterherrschaft im Namen Gottes zur Perfektion getrieben hatte.

Der Torquemada setzte seinen Becher hart ab und sah hinüber zu dem nun ganz erbärmlich zitternden Gottesmann, von dessen Verfehlungen er seitenlang gelesen hatte. „Kerl, kennt Er die Bestimmungen der Kongregation?“, erhob der Spanier in reinem Latein seine frostige Stimme. „Doch … ja … sicher …“, stotterte Mixa, und er musste an Galileo Galilei und den berühmten Satz denken, den er stets verspottet hatte: „Und sie dreht sich doch!“ Was könnte er selbst bloß sagen, wenn es an der Zeit war?, überlegte Mixa, verwarf aber schnell die Idee, sich als Jesus von Augsburg zu outen.

„Dann weiß Er, was es heißt, wenn wir Ihm die Instrumente zeigen?“, rasselte die heisere Stimme des Torquemada. Da erschien dem Altbischof vor seinem inneren Auge ein wundervoller Ruhesitz: eine abgelegene Almhütte mit einem kleinen Weinberg, in dem tagsüber kräftige und halbnackte Schweizer Gardisten werkelten, die ihn auch nachts kräftig und halbnackt bewachten. Walter Mixa nickte nur und schwor dem Teufel ab … MICHAEL RINGEL